Heute gibt es ein neues Format auf meinem Blog: Ich teile mir einen Artikel mit einem Gastautor. Daniel Wieser, ein sprachbegeisterter Unternehmer und Autor mehrerer Bücher, hat mir einen Artikel zum Thema „Die Methoden der Polyglotten“ geschrieben – und ich schreibe nicht auf seinem Blog, sondern ebenfalls hier, sozusagen als Ergänzung dazu. Wir teilen uns also den Artikel auf – Daniel schreibt einen Absatz, ich schreibe einen Absatz, Daniel den nächsten, ich den nächsten.
Daniel hat seinen kompletten Artikel zuerst geschrieben – und ich hake mich sozusagen ein und schreibe meine Gedanken dazu.
Die Methoden der Polyglotte
Daniel:
Sprachenlernen ist für viele Menschen bereits eine hürdenvolle Aufgabe. Täglich quälen sie sich durch das Auswendiglernen von Grammatikregeln, Konjugationen und Ausnahmeregelungen. Viele scheitern bereits beim Erlernen einer einzigen Fremdsprache – gibt es doch Menschen, die es geschafft haben, sich selbst Dutzende davon beigebracht zu haben. Der Unterschied liegt jedoch nicht an einer speziellen Fähigkeit, die nur wenigen Menschen vorbehalten ist. Polyglotte – also jene, die sechs oder mehr Sprachen sprechen können – haben sich seit Jahrzehnten Lernmethoden bedient, die du ebenfalls leicht umsetzen kannst.
Christine:
Daniel hat vollkommen recht. Viele Menschen, die schon beim Erlernen einer Fremdsprache Schwierigkeiten haben, neigen dazu, dies mit „fehlendem Talent“ zu begründen. Wie Daniel auch bin ich aber davon überzeugt, dass die auftretenden Schwierigkeiten nicht am fehlenden Talent liegen, sondern an der Lernmethodik und an der Organisation. Ebenso muss man sich immer mit Sprache umgeben, sich ihr tagtäglich aussetzen und sozusagen „darin baden“ – der Vergleich gefällt mir gut! Die Sprache muss also mein zweites Zuhause werden – je mehr ich es schaffe, diese in meinen Alltag zu integrieren, desto mehr Erfolg werde ich dabei haben – egal, ob ich eine Sprache lerne oder fünf.
Lerne selbst
Daniel:
Was würdest du heute tun, wenn du eine Fremdsprache lernen möchtest? Vermutlich würdest du dich darüber informieren, welche Kurse es bei einer Hochschule gibt, für die du dich anmelden könntest. Du würdest es zur Kenntnis nehmen, dass du erst in einem halben Jahr das Niveau A1 erreichst, denn Sprachen zu lernen braucht ja bekanntlich Zeit. Polyglotte lernen meistens selbst, das heißt, sie nehmen sich ein Lehrbuch mit Audio-Aufnahmen zur Hand und studieren die Sprache ausgiebig. Dies ist nicht nur die kostengünstigste Methode – es ist auch die effizienteste! Da du so nicht an die Geschwindigkeit der restlichen Kursteilnehmer gebunden bist, kannst du so noch schneller lernen.
Christine:
Ich glaube, dass das Stichwort hier ist: Eigenverantwortung. Erfolgreiche Lerner sind selbst für ihr Lernen verantwortlich. Wenn ihnen das angebotene Material nicht passt, suchen sie sich eben etwas Anderes. Der Lehrer ist nicht gut? Dann suchen sie sich eben einen anderen Lehrer. Die Tandempartner stehen nicht vor der Haustür Schlange? Dann wird eben aktiv nach ihnen auf Internetseiten gesucht. Der erfolgreiche Lerner hat erkannt, dass er selbst sein Lernen steuern kann, und macht ausgiebig Gebrauch davon. Er flüchtet sich nicht in Ausreden wie „keine Zeit“, „zu alt“ oder „zu uninteressant“, sondern sucht sich eigenständig eine Alternative. Er behält das Zepter in der Hand und scheut sich aber gleichzeitig auch nicht, Hilfe in Form einer Sprachberatung oder in Form von Einzel- oder Gruppenunterricht in Anspruch zu nehmen. Das alles aber dann, wenn es ihm etwas nützt.
Integriere das Sprachenlernen in Ihren Alltag
Daniel:
Emil Krebs, ein bekannter Polyglott aus Deutschland, arbeitete für das Auswärtige Amt und war täglich mit Fremdsprachen konfrontiert. Es war sein Beruf, sich mit anderen Kulturen auszutauschen, was es ihm natürlich erleichterte, seine Kenntnisse zu perfektionieren. In seiner Freizeit galt seine Konzentration dem Studium weiterer Sprachen, die er in seinem Zimmer regelmäßig übte. Zum Lernen nutzte er übrigens die Bücher des Hartleben Verlags („Die Kunst der Polyglottie“); das waren Bücher mit einem deutschen Text auf der einen und fremdsprachlichem Text auf der gegenüberliegenden Buchseite. Ähnlich ist heute der Aufbau der Bücher des Assimil Verlags, der bei modernen Polyglotten sehr beliebt ist. Um die Aussprache richtig hinzubekommen, konnte er jedoch nur auf das phonetische Alphabet zurückgreifen; Tonaufnahmen waren zu jener Zeit noch nicht verbreitet.
Christine:
Bei diesem Absatz musste ich daran denken, wie schwierig die Materialbeschaffung früher doch war! Auf ein fremdsprachiges Buch musste man 3 Monate warten, durch den Kauf eines solchen Buches hat man sich finanziell fast ruiniert! Heutzutage ist das alles so einfach geworden. Durch das Internet stehe ich mit der ganzen Welt in Kontakt (ich habe wöchentlich mindestens 10 Skype-Gespräche mit verschiedenen Freunden und Tandempartnern), durch E-Book- und Hörbuch-Portale habe ich meine Lerninhalte binnen Sekunden auf meinen elektronischen Geräten zur Verfügung, durch mein Smartphone und die passenden Apps kann ich jederzeit und an fast jedem Ort Sprachen lernen. Sprachenlernen ist durch die moderne Technik so vielseitig und auch so viel einfacher und unkomplizierter geworden als früher – ich freue mich schon auf die künftigen Entwicklungen und bin gespannt, was diese bringen werden!
Daniel:
Giuseppe Mezzofanti, ein Kardinal und Polyglott aus Italien, lernte Fremdsprachen durch das Auswendiglernen von biblischen Passagen. Da die Bibel am meisten verbreitet war, und noch immer das Buch mit den meisten Übersetzungen ist, konnte er so auf ein erstaunlich großes Arsenal an Fremdsprachen zurückgreifen. Als Seelsorger betreute er außerdem Soldaten aus verschiedensten Ländern im Lazarett. Um sich Vokabel zu merken schrieb er sich die Wörter auf Karteikarten auf, wie Michael Erhard berichtet.
Christine:
Wörter auf Karteikarten aufschreiben ist ja auch heute noch eine bekannte Technik. Für mich persönlich ist sie nichts, denn ich mag nicht mit beschrifteten Karteikarten lernen. Ich habe das System für mich so angepasst, dass ich zwar das Karteikartensystem nutze, aber in elektronischer Form. Mein Vokabeltrainer funktioniert also nach dem klassischen Karteikartenprinzip – der Vorteil ist aber, dass ich nichts organisieren muss und dass ich alles immer greifbar habe, nämlich auf meinem Smartphone oder meinem Computer. Wenn Giuseppe Mezzofanti diese Möglichkeit gehabt hätte, hätte er sie vielleicht auch genutzt.
Habe Spaß
Daniel:
Das schulische Lernen hat uns bereits so konditioniert, dass wir alles, was mit „Lernen“ zusammenhängt, mit Arbeit und nicht mit Spaß verbunden wird. Sprachen zu lernen wird zu einem Muss und man vergisst ganz darauf, worauf es eigentlich ankommt. Wenn es dich freut, heute Türkisch zu lernen, weil du dich mit deiner Nachbarin unterhalten möchtest, dann tue das. Wenn es dich erfreut, Japanisch zu lernen, um Anime in der Originalsprache zu verstehen, dann tue das. Lasse dir nicht vorschreiben, was du lernen musst.
„If you talk to a man in a language he understands, that goes to his head. If you talk to him in his language, that goes to his heart.“ – Nelson Mandela
Beim ganzen Auswendiglernen von Grammatikregeln und Konjugationen vergessen wir leider, worauf es beim Lernen von Sprachen eigentlich ankommt: Kommunikation und vielleicht einem anderen Menschen auch eine Freude zu machen, weil du in ihrer Muttersprache sprichst.
Christine:
Viele Vorurteile und negative Konditionierungen stammen tatsächlich noch aus der Schulzeit. Das ist manchmal erstaunlich, wenn man bedenkt, wie lange manche Menschen schon nicht mehr in der Schule sind, sich aber trotzdem von diesen Negativ-Formulieren beeinflussen und leiten lassen. Wie wäre es, wenn du dich umpolen würdest? Denke an die vielen Menschen auf der Welt, die nur darauf warten, mit dir Deutsch und ihre Muttersprache sprechen zu können! Wie schön ist es, im Ausland in der Landessprache mit den Zeitungshändlern, Verkäufern, Markthändlern, Barbesitzern, Hausnachbarn oder anderen Menschen Unterhaltungen führen zu können.
Das erweitert ungemein den Horizont, macht Spaß – und wer weiß? So findest du vielleicht auch neue Freunde – und dann macht Sprachenlernen wirklich Spaß! Und nebenbei bist du auch noch ein kleines bisschen für die Völkerverständigung und für den Frieden zuständig und verantwortlich – ist das vielleicht nichts? Wenn du erst einmal Literatur im Original lesen kannst, dich mit Anime, Nurgül, José, Francesca oder Sally in ihrer Sprache unterhalten kannst oder Filme und Fernsehserien im Original sehen kannst, dann lohnt sich das Sprachenlernen wirklich!
Wer diesen Artikel zusammen mit mir geschrieben hat
Ing. Daniel Wieser, B.A. Sprachbegeisterter Unternehmer und Autor mehrerer Artikel und Bücher über das Schneller Lernen von Fremdsprachen und anderen Themen. Entwickler des Schneller Lernen Prinzips und leidenschaftlicher Sammler von Büchern über Sprachen aus Afrika, im Besonderen der Werke Carl Meinhofs. Wenn du dich für seine Bücher interessierst, dann gehe doch einmal auf seine Amazon-Autorenseite
Super Artikel, es gibt auch diverse Motivation Coachs die das selbe sagen nicht nur beim Sprache Lernen sondern bei allem im Leben was man erlernen möchte. Weiter so !
Dankeschön Stephan. Ja, ich weiß, dass Motivationscoaches dasselbe sagen – häufig decken sich die Erkenntnisse in der Motivation mit denen des Sprachenlernens. So kann sich jeder dort bedienen, wo es ihm am meisten bringt.
Viele Grüße
Christine
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass erfolgreiche Menschen sich auch immer wieder reflektieren, bereit sind Umwege zu gehen und den Weg zum Ziel genießen. Super Artikel!
Schöner Beitrag – vielen Dank an euch beide. Stimmt, wir haben heute so unglaublich viele Möglichkeiten, Lernmaterial zu besorgen. Was mir beim Spanisch-Lernen besonders gut hilft, sind Podcasts. Die kleine Dosis O-Ton im Auto oder bei der Hausarbeit. Ganz nebenbei und sehr wirksam.
Hallo Christine,
welche Spanisch-Podcasts hörst du denn an? Ich finde Podcasts auch eine gute Idee und höre sie im Auto oder bei der Hausarbeit, genauso wie du.
Glücklicherweise haben wir heutzutage so viele Möglichkeiten, so dass sich jeder herauspicken kann, was ihm gerade passt und was nicht.
Früher waren die Möglichkeiten da schon sehr begrenzt.
Viele Grüße – und ich freue mich auf die Rückmeldung wegen der Podcasts
Christine
Ein wirklich toller Beitrag, sehr unterhaltsam zu lesen und absolut motivierend. Es kribbelt mich schon, endlich wieder loszulegen – noch fehlt die Zeit. Aber bald!
Zauberhafte Grüße
Birgit
Hallo Birgit,
dann fange doch an – und wenn es erst einmal nur 5 oder 10 Minuten pro Tag sind. Rechne das dann mal auf einen Monat hoch!
Viele Grüße
Christine
P.S. Ich bringe dich schon noch dazu anzufangen … 🙂