In meiner Rubrik „Der Lerner hat das Wort“ habe ich diesmal eine ehemalige Teilnehmerin aus meinem Italienischkurs, Pia Reimann, zu Gast. Ich habe sie schon immer sehr bewundert, weil sie schon als Jugendliche ganz freiwillig eine Sprache, nämlich Italienisch, außerhalb der Schule gelernt hat und dafür jede Woche zum Italienischkurs gekommen ist. Auch nachdem Pia von hier weggegangen ist, haben wir Kontakt gehalten, und als sie mir erzählte, dass sie ein halbes Jahr nach Spanien geht, habe ich sie gebeten, mir anschließend von ihren Erfahrungen zu erzählen. Hier ist also das Interview mit Pia. Sie gibt dir nicht nur Einblicke in das Leben im Ausland, sondern hat auch viele gute Tipps für dich als Lerner, ob zu Hause oder in anderen Ländern, parat.

Erzähle mir ein bisschen von dir – wer bist du, wo wohnst du, was studierst du? Welche Sprachen sprichst du?

Ich bin Pia, 19 Jahre alt und studiere im 5. Semester Romanistik an der FAU Erlangen, genauer gesagt die Fächer Spanisch und Französisch. Angefangen habe ich in der Schule natürlich mit Latein und Englisch, dann kamen Französisch und Italienisch dazu und aus kombinatorischen Gründen an der Uni Spanisch. Zwei Semester lang habe ich außerdem Finnisch-Kurse belegt, um mal etwas ganz Anderes kennen zu lernen.

 

Wie bist du zum Sprachenlernen gekommen?

Durch die Schule. Schnell haben mich aber auch andere Sprachen interessiert als nur die, die am Gymnasium angeboten wurden, sodass ich z.B. an der VHS mit Italienisch-Kursen angefangen habe. Woher die Inspiration oder das Interesse an der nächsten Sprache kommen, kann ganz unterschiedlich sein: Mal ist es vielleicht ein Lied in einer fremden Sprache, das ich verstehen möchte und beim Übersetzen kommt die Lust auf mehr; oder es sind Reiseberichte, Menschen, ein Land, eine Landschaft oder Kultur, die mich zum Lernen der Sprache begeistern.

 

Du warst ja einige Monate in Spanien. Warum hast du dich für diesen Aufenthalt entschieden? Wo genau warst du? Wie war es?

Schon zu Beginn meines Studiums war für mich klar, dass ich ein Semester im Ausland verbringen möchte, tendenziell eher im spanischsprachigen Raum, weil ich in dieser Sprache weniger sicher als im Französischen war.

Von kürzeren Aufenthalten in Frankreich wusste ich, wie schnell sich verschiedene Bereiche der Sprechfertigkeit verbessern können, wenn man täglich mit der Sprache in Kontakt ist, mit Muttersprachlern umgeht und sich allein im Land zurechtfinden möchte. Dementsprechend lag auch mein Hauptaugenmerk in Spanien auf dem sprachlichen und kulturellen Aspekt.

Ich habe 5 Monate in Valladolid (Kastilien) gelebt und studiert. Ausgesucht habe ich mir diesen Ort, weil –so sagt man- das Kastilische das „Hoch-“Spanisch ist, also am wenigsten dialektal gefärbt, was mir als Lerner wichtig war. Überrascht war ich, wie schnell sich meine Aussprache tatsächlich verbessert und vor allem auch der dortigen Norm angepasst hat, ein Prozess, der ganz unbewusst abgelaufen ist.

Insgesamt kann ich resümieren, dass sich alle Erwartungen erfüllt haben, wenn sie nicht noch sogar übertroffen wurden! Natürlich spreche ich jetzt kein fehlerfreies Spanisch (diesen Anspruch hatte ich auch nie), ich hadere jetzt noch mit manchen Verbformen, habe noch zu wenig über gewisse grammatische Aspekte gelernt und bin kein Wörterbuch, aber das Sprechen hat an Sicherheit und Spontaneität gewonnen. Im Wissen, dass ich mich definitiv verständlich machen kann, traue ich mich, spontaner loszureden und denke auch nicht mehr im Voraus über die Formulierung komplizierter Sachverhalte nach.

 

Wie und von wem wurde der Aufenthalt organisiert?

Ich bin mit dem ERASMUS+-Programm der EU ins Ausland gegangen, habe also finanzielle Unterstützung erhalten und viel Organisatorisches lief über die Uni ab. Dadurch waren aber auch die Zielorte im Ausland eingeschränkt, da Partnerschaften mit den jeweiligen Fakultäten und Universitäten berücksichtigt wurden.

Reise, Wohnung und Fachliches musste ich selbst organisieren, aber bei Formalitäten an der Uni (Studiengebühren, Immatrikulation, etc.) wurde ich von den Erasmus-Koordinatoren vor Ort unterstützt.

 

Was rätst du Sprachlernern, die ins Ausland gehen wollen, ob beruflich oder privat?

Mein Glück war, dass ich tatsächlich im Voraus nicht viel konkret darüber nachgedacht hatte, da für mich immer festgestanden hatte, dass ich diese Erfahrung machen möchte. Dadurch hat sich meine Angst vor dem Neuen und Unbekannten einigermaßen in Grenzen gehalten, weil ich mir keine furchtbaren Situationen ausgemalt habe. Früher oder später gerät man im Ausland an seine sprachlichen und persönlichen Grenzen, man wird z.B. beim Bäcker als Ausländer und Nicht-Muttersprachler geoutet – aber meist reagieren alle viel lockerer als man sich das ausmalt. Wenn diese unangenehmen Situationen dann doch eintreten, darf man sich bloß nicht entmutigen lassen und muss versuchen, das Beste daraus zu machen und zu lernen.

Ansonsten war es für mich wichtig, mich nicht mit allzu vielen Deutschen zu umgeben, ich hatte nur ca. 2-3 gute Freundschaften mit Deutschen geschlossen. Ansonsten hatte ich mich bemüht, mir einen Bekanntenkreis aufzubauen, in dem hauptsächlich Spanisch gesprochen wurde –entweder von den dortigen Muttersprachlern oder mit anderen Erasmus-Studenten. Englisch war nie eine Option, immer Spanisch oder zu Not auch Französisch! Ich habe nämlich in Spanien auch viele Studenten aus Frankreich kennengelernt und sogar mit einer Französin zusammengewohnt, sodass ich zweifach von dem Aufenthalt profitieren konnte.

Wenn du eine neue Sprache lernst, welche Strategie verfolgst du? Wie lernst du? Wie hat sich dein Lernen im Laufe der Jahre verändert?

Ich versuche, immer meine erste Motivation im Hinterkopf zu behalten. Warum habe ich mich für diese Sprache entschieden? Was macht sie für mich besonders? Welches ist mein nächstes Ziel in dieser Sprache? Und was bin ich bereit, dafür zu investieren? So kann ich Langeweile bei langen Hausaufgaben oder Genervtheit bei unverständlichen Texten meist gut überwinden.

In einer neuen Sprache motiviert es mich außerdem, den üblichen „Ablauf“ der Lehrbücher schon zu kennen. Gewisse Themenfelder (Begrüßungsdialog, Steckbrief, Familienmitglieder, Farben, Wetter, Zeiten, etc.) kommen logischerweise in immer ähnlicher Reihenfolge vor, sodass man schon eine Ahnung über die nächsten Lernschritte hat und auch daraus Ehrgeiz entwickeln kann.

Ich denke, dass sich im Laufe der letzten Jahre mein Lernen durchaus verändert hat, einfach dadurch, dass ich mich quasi „Vollzeit“ im Studium damit beschäftige. Zwar beinhaltet mein Studium zu gleichen Teilen auch Literaturwissenschaft und Linguistik, aber in allem schwingt ja die Fremdsprache mit. Außerdem sind die sprachpraktischen Kurse an der Universität spezifischer, z.B. gibt es getrennte Kurse für Hörverstehen, Wortschatz, Grammatik, Landeskunde, Textproduktion oder Übersetzung. Dadurch kann man sich konkreter auf die einzelnen Bereiche konzentrieren als in einem einzigen Sprachkurs, der alles zugleich jonglieren muss.

 

Gibt es Blogs oder Podcasts, denen du regelmäßig folgst? Diese können aus dem Sprachenbereich sein, müssen aber nicht!

Tatsächlich bin ich da nicht so aktiv, die einzigen die mir einfallen wären noch die Coffee Break Podcasts und Christines Blog.

 

Welche Materialien nutzt du zum Sprachenlernen und zum Lernen allgemein?

Ich verwende am liebsten Bücher und Übungshefte in Papierform, bei Apps stört mich, dass man die Stoffmenge scheinbar nie so überblicken kann und einfach durchblättern kann wie in einem Buch.

Außerdem lese ich Bücher und die Presse in der jeweiligen Fremdsprache, dazu kommen Radio, Musik und Serien oder Filme.

 

Woher nimmst du deine Motivation zum Lernen (nicht nur von Sprachen)?

Das Ziel motiviert mich meist. Die Vorstellung, mich ungezwungen mit einem Muttersprachler zu unterhalten oder komplexe Texte problemlos zu verstehen, treibt mich an, da tatsächlich hingelangen zu wollen, aber dieser Weg führt über einiges an Arbeit.

Speziell bei Sprachen finde ich das Thema Aussprache sehr motivierend: Durch kleine Übungen oder gezieltes Training kann man hier so schnell Fortschritte machen, die bei anderen Lernern, aber auch bei Muttersprachlern sofort einen anderen Eindruck hinterlassen. Und gerade beim Vorlesen oder bei Selbstgesprächen fällt es dann auch selbst auf, wie gut das eigentlich klingt! J

 

Was würdest du einem Lerner empfehlen, der mit einer neuen Sprache beginnen möchte? Wie soll er anfangen? Wie wichtig findest du Grammatik?

Ich bin ein Mensch, der gerne strukturiert lernt und vorgeht, d.h. mir persönlich ist Grammatik sehr wichtig. Das muss aber nicht für jeden so funktionieren und gerade am Anfang kann es hinderlich sein, zu lange über die Verbform nachzudenken, während man eigentlich schon viele Vokabeln kann und sich unterhalten möchte.

Beim Lernen einer neuen Sprache scheint mir wichtig, das Tempo nicht zu hoch anzusetzen und nicht zu unrealistische Ziele abzustecken. Außerdem muss jeder individuell herausfinden, welche Inhalte er eigentlich lernen will.

 

Wie wichtig ist deiner Meinung nach Talent?

„Talent“ finde ich einen schwierigen Begriff. Sicher haben manche durch ihre Persönlichkeit, Erziehung, Vorbilder oder entsprechende Förderung einen leichteren und schnelleren Zugang zu gewissen handwerklichen oder intellektuellen Leistungen, aber das heißt nicht, dass es den vermeintlich „Untalentierten“ deswegen unmöglich wäre, Gleiches zu vollbringen.

Es braucht aber trotzdem immer die Kombination aus Talent, Motivation und Wille und Einsatz, sprich Arbeitsaufwand, um ein Ziel zu erreichen.

 

Wie viel Zeit investierst du in das Sprachenlernen? Wie viel Zeit in das Lernen allgemein?

Mein Ziel ist es, mich jeden Tag mit Französisch und Spanisch zu beschäftigen, egal wie lange. Wenn ich irgendwo warte, scrolle ich durch die App der spanischen Zeitung El país und lese einige Artikel, die mich interessieren. Oder ich schaue abends französische Nachrichten oder lese ein fremdsprachiges Buch. Meist schaue ich nebenbei auf die Uhr und wenn mich nach den ersten 10 Minuten nicht das Interesse gepackt hat, erlaube ich mir, die Sachen wieder wegzulegen.

Durch mein Studium investiere ich (zumindest während des Semesters) schon den Großteil meiner produktiven Zeit in Sprachen, d.h. ich zwinge mich nicht auch noch in der Freizeit (also alles unabhängig vom Studium) zu einem strengen Lernprogramm.

 

Du weißt, dass du ein Sprachen-Nerd bist, wenn du …

…im Supermarkt stehst und die Produkte in allen möglichen Sprachen durchgehst.

…Selbstgespräche in anderen Sprachen führst.

…keinen passenden deutschen Begriff mehr für ein Konzept findest, weil der fremdsprachige einfach viel besser passt.

 

Gibt es noch Dinge im Leben, die du unbedingt noch machen möchtest? Gibt es eine Art Bucket-List?

Ich führe keine Bucket-List, nein. Was Sprachen angeht, habe ich ein allgemeineres Bild von mir im Kopf: Ich möchte nicht zwangsläufig 10 Sprachen fließend beherrschen, sondern in viele hinein geschnuppert haben, aus vielen etwas mitnehmen und einen Überblick über die Vielfalt der unterschiedlichen Sprachsysteme haben, auch aus linguistischer Sicht.

Die nächste Sprache wird aber vielleicht Portugiesisch…

 

Vielen Dank, liebe Pia, für die tollen Antworten und das Interview!