Französische Schüler schreiben Märchen … – ein Interview mit Cornelia Briend

Märchen

Märchen? Bei mir auf dem Blog? Ja, denn heute gibt es ein Interview einer gang anderen Art. Meine Interviewpartnerin ist Cornelia Briend, eine Deutsche, die seit langer Zeit in Frankreich lebt und dort unter anderem in der Abibac-Sektion Deutsch unterrichtet. Sie hat mit Schülern aus ihren 10. Klassen eine Anthologie moderner Märchen herausgebracht und als E-Book bei Amazon veröffentlicht. Genauere Informationen gibt es im Interview. Außerdem gibt Cornelia Tipps, wenn ein Schüler sich nicht zwischen Latein und Französisch entscheiden kann. Auch Tipps zu grundsätzlichen Sprachlern-Strategien fehlen nicht.

Noch ein Hinweis: Cornelia hat außer ihrer Anthologien auch einen historischen Roman veröffentlicht. Er ist erschienen im Droemer-Knaur-Verlag, heißt „Brombeerblut“ und spielt im Jahr 982 in Irland. Die ISBN ist 978-3-426-21528-9   Wenn du also gerne historische Romane liest, solltest du dir diesen Roman unbedingt einmal auf deine Leseliste setzen!

Jetzt aber Vorhang auf für Cornelia und das Interview!

1) Wer bist du? Erzähle mir ein bisschen über dich.

Mein Name ist Cornelia Briend, ich bin in Greifswald (heute Mecklenburg-Vorpommern) geboren und aufgewachsen und habe an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Romanistik, Slawistik und Erziehungswissenschaften studiert. Das dritte Studienjahr habe ich in der damaligen Sowjetunion, in Rostow-am-Don, verbracht.

Seit nunmehr 26 Jahren lebe ich in Frankreich. Ich habe an verschiedenen Hochschulen und bei der Industrie- und Handelskammer als Deutschlehrerin gearbeitet. Seit 1995 unterrichte ich am Collège und am Lycée – das entspricht in Deutschland der Sekundarstufe I und II.

Nach Deutschland fahre ich zwei- bis dreimal im Jahr, um meine Familie und Freunde zu besuchen und meinen regelmäßigen Schüleraustausch durchzuführen.

2) Du bist ja Deutsche. Wie hat es dich nach Frankreich verschlagen?

Nach meinem Studium und der Wende in der DDR habe ich meinen ersten Posten als Sprachlektorin an der Universität Dijon angetreten. Das hat mir so gut gefallen, dass ich die Erfahrung noch ein bisschen verlängern wollte, und so habe ich mich danach an der Universität Rennes beworben. Beinahe zur gleichen Zeit habe ich meinen Mann kennengelernt, und so ist die Bretagne mir zur Wahlheimat geworden.

3) Dein Märchen-Projekt klingt sehr interessant. Worum geht es da genau?

Es handelt sich um eine Anthologie von Schülerarbeiten, genauer gesagt von Märchen, die meine Schüler der Seconde Abibac (10. Klasse bilingualer Zweig) im Deutschunterricht geschrieben haben. Es ist ihr erster Versuch, sich literarisch in einer Fremdsprache auszudrücken. Im Unterricht haben wir zunächst einige Märchen gelesen, die Kennzeichen eines Märchens herausgearbeitet und bestimmte Grammatikpunkte, wie z.B. das Präteritum als Erzählzeitform, geübt. Dann haben die Schüler allein, zu zweit oder zu dritt eine Idee gesucht und die gefundenen Kriterien daran umgesetzt. Eine Anzahl festgelegter sprachlicher Strukturen sollte auch in den Text eingebaut werden. So sind ganz unterschiedliche moderne Märchen enstanden, die Themen des Alltags der Jugendlichen wie Mobbing, Anderssein, erste Liebe usw. in teils poetischer, teils humorvoller Form widerspiegeln.

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4) Warum habt ihr dieses Märchen-Projekt ins Leben gerufen?

Ich wollte dem schriftlichen Ausdruck in der Fremdsprache ein wenig seine Künstlichkeit und seinen Selbstzweck nehmen. Früher war „Schreibe deinem deutschen Partner einen Brief“ eine beliebte Form, das Können der Schüler auf diesem Gebiet auf die Probe zu stellen. Aber kaum ein Jugendlicher schreibt heute noch Briefe. Im besten Fall kann man noch E-Mails erwarten. Auch die im Deutschen Sprachdiplom der KMK so beliebte Anweisung „Schreibe einen Beitrag für die Schülerzeitung“ stößt oft auf Desinteresse. Schülerzeitungen gibt es ja längst nicht in jeder Schule, mal abgesehen davon, dass kaum jemand einen Artikel in einer Fremdsprache, die er nicht lernt, lesen würde.

An einem Buch mitzuwirken, das nicht nur anderen Deutschlernern, sondern auch der Familie, Freunden und einer breiten deutschsprachigen Leserschaft zugänglich ist, stellt eine ganz andere Motivation dar. Da ich durch meine eigenen Publikationserfahrungen und durch Kontakte mit Selfpublishern von der Plattform bookrix wusste, wo das Veröffentlichen eigener Werke ziemlich einfach geht, kam mir die Idee, mit den Schüler dieses gemeinsame Buchprojekt zu beginnen. Die positiven Rezensionen, die unsere kleinen Werke bspw. auf Amazon erhalten haben, machen die jungen Autoren sehr stolz.

5) Welche Bücher kann man von euch beziehen? Was kosten sie? Wo kann man sie kaufen?Französische-Schüler-schreiben-Märchen

Es gibt bisher zwei eBooks. Die erste Sammlung ist noch recht bescheiden im Umfang und heißt „Es war einmal – Französische Schüler schreiben Märchen“. Die zweite Anthologie umfasst schon 24 Texte und hat „Französische Schüler schreiben Märchen“ zum Titel. Man kann sie sich über Amazon, Apple, Thalia, Weltbild, Google und viele andere Shops auf sein bevorzugtes Lesegerät holen. Natürlich sind sie kostenlos.

6) Sind weitere Projekte dieser Art in Planung?

Ja, auch dieses Schuljahr möchte ich das Projekt wieder in Angriff nehmen. Ob es noch einmal Märchen werden oder zur Abwechslung ein anderes Genre – vielleicht Kurzkrimis oder Kurzgeschichten -, weiß ich noch nicht. Dazu möchte ich die Schüler zunächst besser kennenlernen und sehen, was ihnen selbst am besten gefallen würde.

Jetzt habe ich noch einige allgemeine Fragen an dich.

7) Welche Sprachen sprichst du?

Meine erste Fremdsprache ab der 5. Klasse war Russisch, dann kam in der 7. Englisch dazu und ab der 9. Französisch. Russisch und Französisch habe ich dann studiert. Mein Englisch, das ich im Alltag nur selten brauche, erhalte ich mir vor allem durch Lesen im Original und mit Hörbüchern. Zweimal habe ich auch an Sommerkursen in Irland teilgenommen, um im Sprechen ein wenig fließender zu werden. Schriftlich benutze ich Englisch vor allem in der Korrespondenz im Rahmen meiner Recherchen, dazu später mehr.

8) Was würdest du einem Schüler raten, der sich zwischen Französisch und Latein nicht entscheiden kann?

Das ist eine schwierige Frage für jemanden wie mich. Als ich 13 war, habe ich angefangen, zwei Jahre lang als Autodidakt Französisch zu lernen, bevor sich die Möglichkeit ergab, als dritte Fremdsprache in der damaligen Erweiterten Oberschule Französisch zu wählen. Ich habe es nie bereut, meine Begeisterung ist ungebrochen, und es hat meinen Lebenslauf ganz entschieden beeinflusst. Heute, wo meine Interessen noch intensiver als früher auf Geschichte, Sprachen und Literatur ausgerichtet sind, bedaure ich aber auch mindestens einmal in der Woche, niemals Latein gelernt zu haben. Das war damals an meiner Schule leider nur den künftigen Medizinstudenten vorbehalten.

Es kommt also wirklich darauf an, was der Schüler, der vor dieser Wahl steht, einmal damit machen will.

Englisch lernt heutzutage jeder, das ist schon längst kein Trumpf im Lebenslauf mehr. Es wird von jedem Arbeitgeber als normal vorausgesetzt. Wer mit einer zweiten lebenden Fremdsprache punkten kann, ist schon besser dran.

Französisch gilt vielen als zu schwer (genau wie Deutsch im Ausland): komplizierte Grammatik, viele Ausnahmen, von der Aussprache ganz zu schweigen. Aber mal ehrlich, leichte Sachen lernen kann doch jeder! Wer Französisch lernt, kann etwas Außergewöhnliches, was nicht viele andere zu bieten haben. Und nirgends sind die Möglichkeiten des Austauschs, sei es für Praktika, fürs Studium oder auf dem Arbeitsmarkt, günstiger als zwischen Frankreich und Deutschland.

Aber ich kann auch gut verstehen, wenn jemand lieber den Klassiker der humanistischen Bildung, Latein, lernen möchte. Es heißt immer, wenn man das Vokabular und die lateinische Grammatik gemeistert hat, fällt einem das Erlernen anderer Sprachen leichter. Ob das stimmt, kann ich aus eigener Erfahrung nicht beurteilen. Mir helfen umgekehrt meine Französischkenntnisse manchmal beim Entschlüsseln lateinischer Inschriften.

9) Lernst du momentan eine Fremdsprache? Wenn ja, welche?

Da ich ein großer Irlandfan bin, versuche ich seit Jahren, Gälisch zu lernen. Ich habe mehrere Sommerkurse im Co. Galway besucht, und in meinem Regal stehen diverse Lehrbücher, DVDs, Grammatiken und Wörterbücher. Hin und wieder besuche ich ein gälischsprachiges Internetforum oder lese Seiten, die ich auf Facebook abonniert habe. Richtig Zeit habe ich leider nicht, um über das Niveau A1/A2 hinauszukommen. Dazu müsste ich es regelmäßig betreiben und Gesprächspartner haben.

10) Welche Strategien würdest du grundsätzlich beim Fremdsprachenlernen empfehlen?

Zuerst gutes Zuhören und Nachsprechen. Dann ständige Erweiterung des Wortschatzes. Training durch regelmäßiges Sprechen, um neue Strukturen zu festigen und in Automatismen umzuwandeln. Richtig gut funktionieren kann das Sprachenlernen nur, indem man kommuniziert. Das bedeutet, im Unterricht jede Möglichkeit zum Sprechen zu nutzen, anstatt sich hinter dem Rücken des Vordermanns zu verstecken und zu hoffen, nicht dranzukommen. Kommunizieren mit Muttersprachlern ist natürlich ideal.

Wenn ich einen Sommerkurs im Ausland belege, lasse ich mich immer in einer Gastfamilie unterbringen statt in einem Wohnheim, um im Alltag so viel wie möglich auf Sprechen und Verstehen angewiesen zu sein. Mir gefällt auch die Arbeit mit Liedern und Liedtexten sehr gut. Bücher und Hörbücher in der Lernsprache sind auch toll. Wenn in der Schule ein Schüleraustausch oder der zwei- bis dreimonatige Individualaustausch Brigitte Sauzay des Deutsch-Französischen Jugendwerks angeboten wird, sollte ein motivierter Schüler diese Möglichkeiten unbedingt nutzen.

11) Wie sieht bei dir ein normaler „Schul“-Tag aus?

Ich stehe um 6 Uhr auf, fahre etwa 40 Minuten bis zu meinem Collège in einer kleinen Gemeinde außerhalb von Rennes, wo der Unterricht um 8 Uhr beginnt. Drei bis vier Stunden Unterricht – eine Stunde dauert hier 55 Minuten. Dann fahre ich wieder nach Hause, wechsle die Tasche und mache mich zu Fuß auf den Weg zum Lycée. Zum Mittagessen bleibt mir an solchen Tagen keine Zeit, da ich in zwei verschiedenen Städten arbeite und die Mittagspause zum Fahren brauche. Am Lycée endet der Unterricht für die Schüler, je nach Stundenplan, meist um 18 Uhr. Für mich dieses Jahr zum Glück nur einmal in der Woche! Meistens bin ich gegen 18 Uhr zu Hause. Zu bestimmten Zeiten im Jahr – Schuljahresbeginn, Quartalszeugnisse, Elternsprechabende – schließen sich noch Versammlungen oder Klassenkonferenzen an. Dann kann es auch mal 22 Uhr werden.

12) Welche Hobbys hast du?

Ich schreibe historische Romane. Die Recherche und das Schreiben nehmen fast meine ganze Freizeit in Anspruch. Ich interessiere mich besonders für das frühe Mittelalter, Irland und die Wikinger. Mein erster Roman „Brombeerblut“ ist 2014 beim Droemer-Knaur-Verlag erschienen. Der zweite Roman ist in Arbeit. Nebenbei habe ich zwei Gärten und ein Ferienhaus, die betreut werden wollen. Früher habe ich viel getanzt (irischen Steptanz) und bin zu Workshops durch halb Europa gefahren. Reisen, besonders im nordeuropäischen Raum, Lesen und der Austausch mit Autorenkollegen gehören natürlich auch dazu.

13) Du weißt, dass du ein Sprachen-Nerd bist, wenn du …

… zum Finden eines deutschen Wortes zuerst den genau passenden Begriff in drei anderen Sprachen auf der Zunge hast.

Vielen Dank für deine Antworten, liebe Cornelia!

Ich danke dir für die Möglichkeit, unsere kleinen Werke hier vorstellen zu dürfen!

1 Kommentar

  1. Uwe U. Schulz

    Wenn ich das Interview lese, sehe ich dich bildlich vor mir. Wir sind so stolz auf Dich.
    Du machst Deine Sache ganz toll.
    LG Uwe

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