Alessio Bona vom Blog Tutor Linguistico hat für mich einen Gastartikel zur Grammatik einer Sprache geschrieben. Er geht dabei auf diese Punkte ein:
- Was ist Grammatik und welche Rolle spielt sie beim Sprachenlernen?
- Wie kann man am besten mit den drei Typologien von Grammatik umgehen?
- Wie baut man am besten Grammatik in das Unterbewusstsein ein?
Vielen Dank an Alessio für diesen Artikel! Jetzt aber … Vorhang auf!
Was ist Grammatik und welche Rolle spielt sie beim Sprachenlernen?
Mit Grammatik meinen wir einen „Regelzusammenhang“, nach dem eine Sprache gesprochen und geschrieben wird. Sie wird in zwei Bereiche weiter unterteilt, nämlich Morphologie (Form der Wörter) und Syntax (Satzbau).
Wo ist aber dieser Regelzusammenhang zu finden? In Büchern? In den Köpfen der Menschen?
Diese ist eine für Linguisten und Philosophen sehr spannende Frage, die aber für unsere Zwecke mit einem einfachen Schema beantwortet werden kann.
Dieses Schema unterscheidet zwischen:
– Kodierte Grammatik
– Gelernte Grammatik
– Eingebaute Grammatik
Die kodierte Grammatik
Mit „kodierte Grammatik“ wird hier die Erläuterung bzw. die Darstellung grammatikalischer Regeln gemeint, d.h. die Form, in der diese Regeln kommuniziert werden können.
Es gibt mehrere Möglichkeit der Kodierung und Erläuterung der Regeln: man kann z.B. zwischen diskursiven und tabellarischen Darstellungen unterscheiden.
Auch die abstrakte Beschreibung der Regel kann variieren, z.B.: wenn man auf Deutsch einen Fragesatz baut, rutscht das Verb an den Satzanfang oder bleibt das Vorfeld leer?
Beide Regeln beschreiben dasselbe Phänomen, nämlich dass im Satz „Isst du den Apfel?“ das Verb sich am Anfang des Satzes befindet, sie erklären diese Tatsache aber anders.
Welche Rolle spielen diese Erläuterungen beim Sprachlernen?
Die kodierte Grammatik ist eine bloße Beschreibung der Regeln und hat beim Sprechen keine Nützlichkeit. Das ist bestimmt jedem schon ganz klar: ein Engländer kann z.B. die Erläuterung lernen, nach der „in German you always use the dative case after the preposition -mit-„, und das sogar, ohne ein Verständnis davon zu haben, was diese Regel in der Praxis bedeutet.
Der Zweck dieser Erläuterungen ist, jemandem dabei zu helfen, ein Verständnis des Funktionierens dieser Regeln zu entwickeln, anders gesagt: Regeln zu lernen.
Regeln zu lernen bedeutet, von dieser kommunikativen Darstellung eine imaginative Vorstellung zu bilden.
Falls unser Engländer aus dem vorigen Beispiel doch Deutsch lernt, wird er die obengenannte Regel in die Vorstellung transformieren können, die für ihn operativen bzw. funktionierenden Sinn hat. D.h. er wird das Konzept von „with the dog“ erst mit „mit + der Hund“ abbilden und dann die verstandene Regel anwenden können, nach der dieser Wörterzusammenhang „mit dem Hund“ wird.
Dieses Beispiel zeigt auch, wie das Verständnis und die Anwendung einer Regel bestimmte Vorkenntnisse implizieren kann (in diesem Fall sind die Konzepte von Fällen, Geschlechtern und Artikeldeklination erforderlich, um diese Regel zu verstehen).
Die gelernte Grammatik
Mit gelernte Grammatik werden wir dann die verstandenen und gemerkten Regelzusammenhängen bezeichnen.
Die Regel „mit+Dativ“ habe ich gelernt, sobald ich sie im Sprachzusammenhang verstanden habe und sie deswegen bei mir bekannten Fällen anwenden kann. Zum Beispiel würde ich „mit dem Hund“ schreiben können, aber ich könnte die Deklinationsform von weiblichen Artikeln nicht kennen und deswegen den Ausdruck „mit der Frau“ nicht formulieren können, obwohl ich die „mit+Dativ“ Regel doch verstanden habe.
Reicht dieses Verständnis und Merken der Grammatik aus, um eine Sprache zu beherrschen? Anders formuliert: reicht die gelernte Grammatik dabei aus?
Die Antwort ist: überhaupt nicht!
Ist aber dagegen die gelernte Grammatik erforderlich, um eine Sprache zu verstehen und zu sprechen?
Die Antwort ist wieder: nein! Auf keinen Fall.
Das perfekte Beispiele dafür sind einerseits die Deutschen, die Deutsch reden, aber oft von grammatischen Regeln „keine Ahnung“ haben und sie vor allem nicht erläutern könnten. Und andererseits dienen Ausländer als Beispiel, die, obwohl sie die Grammatik in abstrakter Form gelernt haben, noch wenig verstehen und sprechen können.
Um dieses Phänomen erklären zu können, müssen wir jetzt von der eingebauten Grammatik reden.
Die eingebaute Grammatik
Falls Sie Auto fahren können, sollten Sie kein Problem haben, diese Frage zu beantworten: welche ist die Funktion der Pedale von links nach rechts? 100% sicher?
Wenn Sie seit Jahren Auto fahren und nicht als Lehrer im Bereich tätig sind, dann können Sie diese Frage nicht sofort beantworten, sondern müssen erst ihre Füße „checken“. Mit „checken“ meine ich das: Sie haben sich vorgestellt, in Auto zu sitzen und mit den Füßen getestet, welche Funktion mit welcher Bewegung zusammenhängt.
Ihre Kenntnis der Pedale ist körperlich geworden, wir könnten auch sagen instinktiv oder automatisch oder unbewusst. Sie denken „beschleunigen“ und ihr rechter Fuß bewegt sich ohne weiteres, Sie denken „Gang wechseln“ und Ihr linker Fuß antwortet automatisch.
Dasselbe passiert gerade mit diesem Text: Ihre Augen fliegen schnell über die Wörter und die Bedeutungen entstehen in Ihrem Kopf. Die darin implizierten grammatikalischen Regeln laufen unbewusst ab.
Dieses unsichtbare und unbewusste Funktionieren der Regeln ist das Ergebnis von eingebauten Kompetenzen.
Ich spreche von „eingebauten“, weil dabei kognitive Strukturen konstruiert und verinnerlicht werden. Sie sinken tiefer in unseren Geist und werden gleichzeitig unbewusst und effektiv.
Im Gegensatz dazu verbleibt die gelernte Grammatik bewusst, aber deswegen auch ineffektiv. In derselben Art und Weise wie jemand, der gerade Auto fahren lernt, die Funktion der Pedale bewusst kennt, aber dagegen noch sehr ungeschickt fährt.
Wie kann man am besten mit diesen drei Typologien von Grammatik umgehen?
Wenn wir eine Fremdsprache lernen, ist in den meisten Fällen die eingebaute Grammatik unser Endziel: wir möchten Sprechen können und haben an theoretischen Fragen ein bloß zweckbedingtes Interesse. Ich werde hier diese Perspektive übernehmen und die Fälle von Schülern nicht betrachten, die ein besonderes und von der Praxis entferntes Interesse für Grammatik haben.
Umgang mit der kodierten Grammatik
Vor allem für den selbstständig Sprachlernenden ist die Qualität und Verständlichkeit der grammatikalischen Erläuterungen extrem wichtig, da sie bei niemandem nachfragen können. Man kann ein Buch um eine Umformulierung des gerade Erzählten zwar bitten, es wird uns aber nicht antworten.
Daher meine drei Tipps für selbständig Lernende:
Vielfalt
Probieren Sie mehrere Quellen!
Suchen Sie nach Blogs, laden Sie pdfs runter, gehen Sie zur Bibliothek oder zur Bücherei und nehmen Sie sich die Zeit, um in mehreren Büchern nachzuschlagen.
Heutzutage sind für die meisten Sprachen viele verschiedene Fassungen von Grammatik verfügbar, mit unterschiedlichen Darstellungs- und Exemplifizierungsformen.
Probieren Sie viele davon und benutzen Sie am besten mehrere gleichzeitig. Wenn ich beim Buch A eine bestimmte Regel schon gelesen habe, dann werde ich zum Wiederholen dieser Regel das Buch B nachschlagen und dann eventuell auch Buch C.
Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass wir einer Darstellungsform begegnen, die für uns einfacher zu verstehen und zu merken ist.
Abstraktionsgrad
Dies ist für totale Anfänger eine schwierig einzuschätzende Variabel (dafür sind aber Tutoren und Sprachlehrer da), es spielt aber eine wichtige Rolle.
Mit Abstraktionsgrad meine ich das Niveau an „Theoretisierung“ im Vergleich zur situativen Beschreibung von praktischen Fällen.
Auf den zwei Extremen dieses Spektrums finden wir einerseits die Linguistik und andererseits Satzsammlungen für Touristen.
Wenn man sich eine deutsche Grammatik für Linguisten anschaut, ist jeder Aspekt der Sprache auf den maximalen Abstraktionsgrad gezogen, andersherum findet man bei Satzsammlungen nur konkrete Beispiele: „man sagt das so“, eine theoretische Erklärung wird nicht geliefert.
Diese beiden Extreme sind für 99% der Schüler untauglich, die Frage ist aber: welcher Abstraktionsgrad passt Ihnen am besten? Dies hängt von mehreren Faktoren ab, aber vor allem: 1) Ihre Freude an abstraktem Denken und 2) Ihre Vorkenntnisse im Bereich allgemeiner Grammatik.
Mäßigung
Sobald wir die Quellen gefunden haben, mit denen wir lernen werden, können wir uns an die Arbeit machen!
Hier gebe ich noch einen kleinen Tipp: lieber mit der Lernmenge nicht übertreiben.
Grammatik zu lesen ist noch nur der erste Schritt. Wenn wir versuchen, zu viel Wissen auf einmal zu erwerben, riskieren wir unseren Geist zu verstopfen!!! (Ich meine das ernst: dies ist in der Tat ein Fehler, den 99% der autonomen Lernenden machen).
Es macht wenig Sinn, die ganze Grammatik auf einmal durchzulesen (außer die gerade zu lernende Sprache ist schon die fünfte oder sechste Fremdsprache) und auch drei Kapitel auf einmal sind schon viel zu viele.
Umgang mit der gelernten Grammatik
Ok, ich habe einige Regeln gelesen und mir gemerkt, was kann ich jetzt tun?
Unser Ziel ist es, die grammatikalischen Strukturen „einzubauen“, aber auf diesem Weg ist uns die gelernte Grammatik nur nützlich, wenn wir ihre Rolle verstehen und begrenzen können.
Die gelernte Grammatik hat in diesem Sinne drei hauptsächlichen Funktionen:
Sprachstrukturen erkennen
Wir sind hier im Bereich des Verstehens und vor allem des Lesens.
Wenn wir lesen, können wir uns die Zeit nehmen, um die Aussage zu reflektieren und die vorliegenden grammatikalischen Strukturen zu deuten.
Ein Ausländer liest z.B. den Satz: „Dem Karl hat das Buch doch geholfen“ und kann dann bemerken: „mmm, dem ist ein Dativ, das ist sicher ein Nominativ, d.h. Buch muss Subjekt des Verbes Helfen sein und Karl ist ein Komplement…“ und so weiter und so fort.
Dieses „Deuten-Spiel“ hilft auf jeden Fall auch dabei, grammatikalische Regeln zu verinnerlichen, weil wir sie damit im Kontext ihrer Anwendung beobachten können. Wir kommen später darauf zurück.
Selbstkorrektur
Wenn wir versuchen, die zu lernende Sprache zu sprechen oder zu schreiben, sind die Ausdrücke, die uns zuerst einfallen, das Ergebnis von schon verinnerlichten Strukturen. Da sie meistens noch mangelhaft und oft mit Strukturen von anderen Sprachen vermischt sind, machen wir im Normalfall viele Fehler.
Es ist aber auch ganz typisch, dass unsere gelernte Grammatik (noch nicht verinnerlichte) schon einen Schritt weiter ist, und aus diesem Vorsprung her uns korrigieren kann. Oftmals geschieht das blitzschnell: wir haben das Wort gerade gesagt und merken schon, dass es das Falsche war.
Es ist aber auch oft der Fall, dass wir erst bei einer zweiten Lektüre oder beim Wiederhören einer Unterhaltung unsere Fehler bemerken.
Diese Funktion heißt „Monitoring“ und ist auch dem Lernen sehr nützlich. Man sollte aber nicht übertreiben, weil ein Übermaß an Monitoring die spontane Sprachproduktion beeinträchtigen kann.
Ein leichtes, gutwilliges und gnädiges Überwachen wird vollkommen ausreichen.
Kalkulation jenseits aktuelles Sprachvermögens
Ich benutze hier das Wort „Kalkulation“, um eine Form aufwendiger Durchrechnung zu bezeichnen, welche in den meisten Fällen fehlerhafte Ausdrücke produziert.
Viele (oft veraltete) Lernmethoden ermutigen die Lernende dazu, mit den neu gelernten Regeln herumzuspielen, indem sie mit diesen Regeln neue Sätze „kalkulieren“. Es ist für selbständige Lernende aber eine „gefährliche“ Lernmethode, weil es sehr unwahrscheinlich ist, dass wir schon im Zustand sind einen korrekt gebauten Satz zu produzieren.
Diese Art der Praxis kann auch psychologisch negative Wirkungen haben, da sie uns den Eindruck gibt, dass die Fremdsprache eine ungeheure kognitive Anstrengung erforderlich mache. Einen Satz nach Regeln mechanisch zu bauen, ist tatsächlich für jeden extrem anstrengend, weil es erfordert, dass wir gleichzeitig viele Regeln erinnern, rechnen und miteinander kombinieren. Das ist aber nicht, wie ein Muttersprachler denkt! Die Regeln wirken bei ihm oder ihr unbewusst und deswegen mühelos.
Ich empfehle meinen Schülern, auf dieses bewusste Kalkulationsspiel zuerst zu verzichten und erst später damit anzufangen, wenn die grammatikalische Basis schon verinnerlicht und ein bisschen Sprachgefühl entwickelt wurde (im Normalfall dauert diese Phase zwei bis vier Monate).
Wie baue ich die Grammatik in mein Unbewusstes ein?
Die eingebaute Grammatik gibt uns die Fähigkeit, mit dem bekannten Vokabular Sätze zu bauen und uns Auszudrücken. Sie ermöglicht auch das blitzschnelle Verständnis der Struktur der Sätze, die wir lesen oder hören.
Deshalb ist sie unser Endziel und auf ihre Entwicklung sind unsere Bemühungen gerichtet.
Das Problematische daran ist aber, dass das Einbauverfahren unbewusst abläuft und sich nicht erzwingen lässt.
Was können wir dann bewusst tun, um dieses unbewusste Verfahren zu begünstigen und zu beschleunigen? Vor allem drei Sachen:
Verstehen pflegen
Wir verinnerlichen am besten die Regeln, die wir verstanden haben. Eine Regel zu verstehen bedeutet:
– verstehen, welche Elemente der Sprache betroffen sind.
Zum Beispiel: die Deklinationsregeln betreffen Artikel, Substantive und Adjektive. Die Konjugationsregeln betreffen Verben, etc.
– verstehen, welche Information sie trägt.
Im Fall der Deklination sollte man verstanden haben, welche Informationen die Fälle tragen.
Welche Information tragen die Fälle bei diesem Satz: „Den Apfel isst der Mann“? Antwort: Sie sagen mir, dass der Mann Subjekt ist und der Apfel dagegen direktes Objekt. Auf Englisch, wo wir keine Fälle haben, wird diese Information vom Satzbau getragen und daher hat der Satz „the apple eats the man“ eine ganz andere Bedeutung.
– verstehen, welche Bedingungen bei der Anwendung eine Rolle spielen.
Eine Regel kann in der Form „if/then“ zusammengefasst werden. Zum Beispiel: „if mit, then Dativ“. Z.B. die Beschreibung der Deklination deutscher Artikel ist ein komplexer Zusammenhang an mehreren „if/then“-Regeln, die die Form der Artikel bestimmen. (Es wird dieser Aspekt später ausführlicher erklärt).
Welche sind aber die Bedingungen, die die Anwendung dieser Regeln bestimmen? Anders gesagt: Wovon hängt es ab, ob ich „der“ oder „dem“ vor dem Wort „Tisch“ schreibe? Was lässt mich für einen spezifischen Fall entscheiden?
Die Antwort für unser Beispiel lautet: die Beziehung des entsprechenden Substantivs mit anderen Präpositionen oder Verben. Es gibt zu viele Variablen, um sie hier ausführlich darstellen zu können, ein Ausländer muss aber sie verstanden haben, um diesen Regelzusammenhang am besten zu verinnerlichen.
Noch anders formuliert: wir müssen uns klar machen, beim Paar if/then, welche die „ifs“ sind. Welche Bedingungen eine „if-Variabel sein können.
– verstehen, welche Konsequenzen sie hat.
Auch die Konsequenzen einer Regel können verschieden sein, z.B. auf Deutsch können sie die Form eines Wortes affizieren („dem“ statt „der“) oder den Satzbau (nach „weil“ wird das erste Verb ans Ende des Satzes verschoben).
Nach dem if/then-Unterschied handelt es sich hier um die then-Variablen.
Im praktischen Fall finden wir immer Bedingungs- und Konsequenzkonstellationen bzw. -ketten.
Zum Beispiel, die Bestimmung von „den“ beim Satz „Ich stelle die Flasche auf den Tisch“ läuft so:
if Präposition „auf“ + bekanntes Objekt + männlich + Bewegung;
then Präposition „auf“ + definierter Artikel + männlich + Akkusativ;
then „auf“ + „den“
Wenn wir die Variabel „Bewegung“ mit „Stehen“ in der erste Zeile austauschen, dann ändert sich bei der folgenden Zeile die Variabel von Akkusativ zu Dativ und das führt zum Ergebnis „die Flasche steht auf dem Tisch“.
Betrachten wir jetzt was mit der Flasche in diesem Beispiel passiert.
Dass die Flasche von direktem Komplement zu Subjekt gewechselt hat, hat für den Artikel „die“ keine Konsequenz gehabt. Es hätte doch eine gehabt, falls wir einen Apfel statt einer Flasche benutzt hätten: der Apfel liegt, aber ich lege den Apfel.
In der Verkettung der Regeln läuft der erste Schritt gleich: Subjekt => Nominativ; Objekt => Akkusativ, beim zweiten Schritt reagieren aber männliche und weibliche Artikeln anders.
Das abstrakte Verstehen dieser Aspekte der Regeln und ihrer Verkettung begünstigt sehr stark ihre unbewusste Verdauung. Eine Regel nicht zu verstehen, verdammt zum aufwendigen und ineffizienten Auswendig-Lernen jedes einzelnen Anwendungsfalles. Falls einige Aspekte einer Regel nicht klar sind, kann man bei anderen Bücher oder im Internet nachschlagen bzw. einen Lehrer danach fragen.
Rätsel lösen
Wir sind alle einverstanden, dass beim Sprachlernen die Praxis eine prominente Rolle spielt. Einige sagen sogar, dass man eine Sprache nicht lernt, sondern sich daran gewöhnt.
Wie kann man die Grammatik einüben bzw. sich daran gewöhnen?
Die beste Übung besteht meiner Meinung nach darin, Sätze in der Fremdsprache als Rätsel zu betrachten und versuchen sie zu lösen, indem man errät, welche Konstruktionsregeln verwendet wurden.
Dafür muss man erst jeden Aspekt des Satzes in eine Frage wandeln. Um das zu tun, muss man aber die Regeln in ihrer theoretischen Form schon verstanden haben.
Nehmen wir den Satz: „Ich hatte dir den roten Apfel gegeben.“
Wenn man gerade den deutschen Satzbau gelernt hat, könnte man sich bei diesem Satz fragen: Warum sind die Verben in zweiter und letzter Position? Antwort: Weil dieser ein Hauptsatz ist.
Falls man die Adjektive in den Fokus nimmt, würde sich die Frage auf die Endung von „rot-“ richten: warum „-en“ statt „-e“ oder gar nichts?
Es ist aber jeder Aspekt des Satzes eine mögliche Quelle an Rätseln, z.B.: warum „dir“ und nicht „du“ oder „dich“?; warum „gegeben“ und nicht „gegebt“?; warum „hatte“ und nicht „habe“?, und so weiter und so fort.
Sie werden mit der Zeit merken, wie viel schneller Ihnen die Antworten einfallen werden, bis zum Punkt, wo sie nicht mehr in „diskursiver Form“ einfallen werden, sondern als reine konzeptuelle Beziehungen zwischen Gedanken und Sprachform.
Wenn Sie das merken, dann können Sie aufhören mit den geübten Regeln das Rätselspiel zu spielen, und anfangen, andere Bereiche der Sprache zu erkunden.
Dieses Rätselspiel entspricht der obengenannten ersten Funktion der gelernten Grammatik: Strukturen zu erkennen.
Korrigieren
Es wird oft die Rolle der Korrektur unterschätzt, sie ist aber eine sehr nützliche Übung.
Manchmal gebe ich meinen Schülern Texte, in denen Fehler auftreten, und ich bitte sie darum, die Fehler zu finden, mir zu erklären, warum sie falsch sind und dann richtige Ausdrucksalternativen anzubieten.
Bei dieser Übung sind zwei Bedingungen zu beachten: 1) muss ein Lehrer oder Muttersprachler dabei sein, um die Richtigkeit der Antworten zu bestätigen; 2) die richtige Form muss mehrmals wiederholt werden, damit sie fixiert wird, ansonsten riskiert man, sich falsche Formulierungen unabsichtlich zu merken.
Diese Übung entspricht der zweiten Funktion der gelernten Grammatik: das Korrigieren.
Wer hat diesen Artikel geschrieben?
Alessio Bona ist Italiener und lebt seit 2009 in Berlin. Er hat das Projekt Tutor Linguistico ins Leben gerufen und gibt Deutschunterricht. Natürlich hat er auch einen Blog (in italienischer Sprache) – schau doch mal bei ihm vorbei!
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