Englisch lernen

Englisch lernen – Gastartikel von Norman Schultz

Heute gibt es mal wieder einen Gastartikel. Diesmal geht es darum, warum und wie man Englisch lernen sollte. Wie hat Norman, der Autor des Artikels, Englisch gelernt? Was hat die Sprachlerntheorie von Stephen Krashen damit zu tun? Norman hat einen großartigen Artikel geschrieben – du kannst dich jetzt schon aufs Lesen freuen. Viel Spaß dabei und an Norman vielen Dank!

Dr. Norman Schultz hat Philosophie in Pittsburgh studiert und seine Doktorarbeit in Englisch verfasst. Er hat bereits viele Artikel auf Englisch veröffentlicht. Im August wird er in Shandong eine Professur für Amerikanische Literatur und Kultur antreten. Interessanterweise war er einst wegen Englisch in der Schule sitzen geblieben. Im folgenden Artikel erzählt er uns, warum man Englisch lernen sollte, wenn man es nicht schon kann, wie er Englisch gelernt hat und wie sich seine Erfahrungen mit der Sprachlerntheorie von Stephen Krashen decken. Im Moment lernt Norman Chinesisch.

 

Warum Englisch die wichtigste Wissensressource ist

In meiner Schulzeit dachte ich, dass Englisch nicht relevant wäre, da ich ohnehin Informatik studieren wollte, ein formelgeleitetes Unterfangen. Ich war damals einfach grenzenlos begrenzt und naiv. Später habe ich dann nämlich doch nicht Informatik studiert, sondern Philosophie studiert und schließlich als Adjunct Professor in Amerika gelehrt. Meine Doktorarbeit habe ich komplett auf Englisch verfasst.

Heute weiß ich, wer kein Englisch kann, verliert schnell den Zugang zum Wissen von heute. Niemand zum Beispiel macht sich mehr die Mühe, Ergebnisse ins Deutsche zu übersetzen. Wer daher kein Englisch kann, kann die Gegenwart der Wissenschaft nur schwer verstehen.

Mittlerweile nutze ich ein weltweites Datennetz und kann jeden wissenschaftlichen Artikel aus dem Internet fischen. Diese Artikel sind dann zumeist auf Englisch. Auch englische Bücher im Gegensatz zu deutschen finde ich schnell im Internet. Während deutsche Bücher im Forschungsstand in der Regel 2 Jahre hinterherhinken, kann ich mir so verschiedene Vorteile erarbeiten. Für jeden, der daher studiert oder darauf angewiesen ist auf dem aktuellen Stand seines Fachbereichs zu bleiben, führt kein Weg mehr um das Englische herum.

Der Einfluss, den die Gegenwärtigkeit des Internets auf die Qualität von Artikeln genommen hat, macht sich vor allem bei Artikeln in Journals bemerkbar. Im Bereich „Philosophie“ zum Beispiel nimmt die Qualität der Journalbeiträge nach 2008 zu, vor allem weil stets auf den wissenschaftlichen Diskurs Bezug genommen wird. Die Dichte der Informationen in den Texten hat sich deutlich erhöht, weil nun viel detailierter beständig auf jede andere Veröffentlichung Bezug genommen wird. Wer hier irgendwann einmal einen relevanten Artikel, der einen Beitrag zum Wissen liefern soll, verfassen will, muss Englisch schnell verstehen, in dieser Sprache recherchieren und am Ende sogar schreiben können.

 

Wie Englisch lernen?

Aufgrund meiner Erfahrungen empfehle ich dringend während des Studiums, Forschungsaufenthalte in GB oder den USA zu organisieren. Generell kann man aber auch durch Auslandssemester und die verbundenen internationalen Kontakte in anderssprachigen Ländern English lernen. Für Menschen, die ihr Studium bereits abgeschlossen haben oder beruflich weiter kommen wollen, empfielt es sich Stellen im Ausland anzupeilen oder anstatt Pauschalurlauben mit Couchsurfing zu verreisen. Zum Beispiel kann man Hostels buchen und sich dann mit Einheimischen so gut wie jeden Abend treffen. Wer seine Kinder schon in der Schulzeit in die USA oder in ein englischsprachiges Land schicken kann, sollte dies unbedingt tun. Die Vorteile, die man sich dabei durch Englisch erwirbt, sind vor allem bei der weiteren Ausbildung behilflich. In meiner Abiturklasse hatten die Schüler, die in Amerika waren, ihren Leistungskurs in Englisch gewählt und sich so eine positiven Einfluss auf die Abiturnote gesichert. Wer später gutes Englisch kann, kann dies auch in bestimmten Ländern, wie im Urlaub unterrichten und dafür Geld bekommen.

Englisch allein in der Schule zu erlernen, ist meines Erachtens jedoch sehr schwer, da das Stundenpensum zu gering, der Motivationsaufwand aber sehr hoch ist. Deswegen möchte ich erläutern, wie ich schließlich sehr gutes Englisch gelernt habe.

 

Englisch lernen

Mein wirkliches Englischlernen hat sich erst sehr spät vollzogen. Ich bin sitzengeblieben und das wegen Englisch und Französisch. Also musste ich etwas tun. Zunächst schaute ich Filme mit Englischen Untertiteln und tastete mich nach und nach an komplexere Inhalte heran. Da war ich ungefähr 16. Meine Leistungen in der Schule verbesserte das zunächst nur in sehr geringem Maße. Immerhin aber schaffte ich das Abitur mit guter Note.

Der Sprachkontakt zu Englischsprechern blieb trotzdem sehr frustrierend. Ich merkte nicht, wie ich passiven Wortschatz aufbaute, stattdessen stockte ich und fühlte mich minderwertig, wenn Freunde mit ihrem Englisch brillierten. Der Durchbruch kam erst mit einer Reise durch die Niederlande, Frankreich, Schweiz, Spanien und Portugal. Ich habe damals ein Semester Bafög und ein Interrailticket genutzt um durch West-Europa zu pilgern. Zwar nutzte ich nicht Couchsurfing, aber Hospitality Club, was mich immer sofort in Kontakt zu Einheimischen brachte. Ich habe wahnsinnig viel gesprochen und ich konnte es nach 2 Wochen wie auf einen Schlag. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits 23. Eigentlich viel zu spät. Davor dachte ich, dass ich kein Talent zum Sprachen lernen hätte. Tatsächlich hatte ich über Jahre passives Wissen aufgebaut, was sich nun aktivierte.

Nach der Reise war es mein Ziel in Amerika zu studieren. Über einen Zeitraum von 3 Monaten schrieb ich jeden Tag ein kleines Essay, um noch mehr von meinem Wissen zu aktivieren. Ich habe dann in Köln ein Austauschjahr mit der Duquesne University in Pittsburgh erhalten. Beim Toefl-Test brachte ich dann bereits gute Resultate, fast volle Punktzahl. Abstriche gab es beim Schreiben und Sprechen, mein Verständnis war jedoch 100 Prozent.

Ich bin den Menschen vom Auslandsamt noch immer sehr dankbar. Sie schickten mich für ein Jahr in die USA. Dort bekam ich von vielen Amerikanern ehrlich gemeintes Lob für mein gutes Englisch. Ab diesem Zeitpunkt fing ich an, mein Englisch zu professionalisieren. Ich begann, Seminararbeiten an der Uni zu verfassen und fand viele amerikanische Freunde. Ich arbeitete in Kirchen und hielt viel Kontakt mit Amerikanern. Ich sprach für gut ein Jahr kein Deutsch.

Nach weiteren 2 Jahren in Deutschland, setzte ich dann mein Philosophiestudium mit einem Doktorstudium in Pittsburgh fort. Ich musste nun noch mehr schreiben, hatte noch mehr Arbeit, musste nebenbei unterrichten und 6 Jahre in Amerika verwalten (zum Arzt gehen, Versicherungen anrufen, vor Gericht erscheinen, Verträge abschließen, Häuser vermieten, Nebenjobs etc.). Die größte Hürde war es, vor Studenten auf Englisch zu unterrichten und dann ihre Arbeiten zu korrigieren. Ich fühlte mich immer minderwertig. Wie sollte ich denn Muttersprachlern beibringen, wie sie Essays schreiben? Das kam mir irgendwie absurd vor. Bald schon aber merkte ich, inwiefern ich Vorteile gegenüber Muttersprachlern hatte, da ich Texte klar und sachlich formulieren konnte. Als Fremdsprachler benutzt man die Sprache in der Regel analytischer. Man ist etwas reifer.

Am meisten half mir später das Schreibzentrum, meine englischen Texte auf ein hohes Niveau zu bringen. Ich wünschte, ich hätte diese Möglichkeit bereits früher entdeckt. Jede Universität in den USA hat nämlich ein Schreibzentrum, wo man individuell Termine vereinbaren kann. Dann spricht man gemeinsam mit einem Undergraduate- oder Graduate-Studenten seine Texte durch. Ich nutzte jeden Tag eine Stunde, um mit Amerikanern vom Schreibzentrum meine Schreibe durchzusprechen und zu verbessern. Das war eigentlich wie Privatunterricht und kostenlos.

Jetzt kann man natürlich sagen: Naja, wer im Ausland lebt, der lernt die Fremdsprache richtig. Nicht ganz. Zwar lernen wir kommunizieren, aber das bedeutet noch nicht, dass wir auch ein sprachlich hohes Niveau erreichen. Zwar mache ich Fehler in Bezug auf sprachliche Feinheiten, aber meine Fähigkeit, englische Texte zu strukturieren und zu bauen ist den meisten Muttersprachlern überlegen. Beim GRE, dem generellen Master- und Doktorstudiumzulassungstest, erhielt ich ein hohes Perzentil und war damit besser als 85 Prozent der Studenten in Amerika. Ein Sprachtalent bin ich nicht, ansonsten hätte ich schon in der Schule, keine Probleme gehabt. Daher glaube ich, dass es an meiner Methode lag.

 

Nach meiner Erfahrung gibt es beim Spracherwerb 3 Kompetenzstufen, wobei man schrittweise diese als Durchbrüche anpeilen sollte. Es reicht nach meinem Verständnis nicht nur zu sprechen. Sprechen ist erst der zweite Schritt.

 

1. Verstehen

Hier geht es zunächst nur darum, an die Sprache heranzukommen. Hierzu kann man mit den Sprachkursen anfangen und sollte so früh wie möglich Filme, dann Serien, dann ein wenig Nachrichten und ein wenig politische Debatten verfolgen. Man kann auch kleinere Texte im Internet lesen. Diese Tätigkeit kann gut in den Alltag integriert werden. Glücklicherweise kann man alles, was einen interessiert, im Internet auf Englisch verfolgen. Beim Chinesisch lernen, was ich nun schon einige Zeit lerne, ist dies wesentlich schwieriger, da hier die Schrifthürde nicht durch intuitive Methoden zu nehmen ist. Chinesische Schriftzeichen sind zudem unglaublich hart zu lernen, einfach weil es so viele sind. Wenn man jedoch 2 Jahre diesen Vorschlägen folgt, hat man genug passives Wissen, um erfolgreich aktiv zu werden.

 

2. Sprechen

Wer aufgrund der ersten passiven Methode den Durchbruch zum Sprechen erreicht, wird eine Phase gravierender Verbesserung erleben. Man war eigentlich schon gut, aber durch die Aktivierung wird einem diese Fähigkeit nun bewusst. In Gesprächen mit Muttersprachlern kann man dann die Welt nochmal neu erleben. Es ist ein bisschen so, als würde man mit 14 nochmal sein politisches Weltbild formen. Der tägliche Sprachkontakt ist natürlich wichtig. Hierfür sollte man dann einen Auslandsaufenthalt anstreben. Es ist aber auch möglich bei den Hostels der Stadt vorbeizuschauen. In Köln zum Beispiel hatten sie eine Bar, wo man immer Muttersprachler traf. Eine andere Möglichkeit ist es, zu Couchsurfing Meet-ups zu gehen.

Tatsächlich aber muss man nicht so früh wie möglich anfangen zu sprechen, sondern es lohnt sich erst, wenn man bereits passiv trainiert ist und zuhören kann. Weiter unten stelle ich die Sprachtheorie von Steven Krashen vor. Er vertritt die Ansicht, dass Comprehensive Input, also verständlicher Inhalt, am Wichtigsten ist und es zunächst nur um das Verstehen geht.

 

3. Schreiben

Nach der Phase des Sprechens geht es darum, kompliziertere Texte zu lesen und sich an Diskussionen auf Facebook mit seinen englischsprachigen Freunden zu beteiligen. Die Freunde hat man ja bei bei Couchsurfing in Hostels usw. gewonnen. Bei Sprache geht es nun um Genauigkeit, die man auch bei Fachdiskussionen erwirbt. Hierzu kann man sich tatsächlich auf Facebookdiskussionen einschalten und diese durch Verweise auf sachliche Literatur anreichern. Natürlich sollte man dabei nicht zu viel Hoffnung darauf setzen, andere zu überzeugen. Sinn der Übung ist es, Texte zu recherchieren und deren Inhalte sachlich darzustellen, um generel einen Diskurs anzureichern.

Ein letzter, großer Durchbruch ist erreicht, wenn man gute Belletristik auf Englisch lesen und genießen kann. Wer alle Literatur lesen und verstehen kann, der wird nicht mehr aufhören zu lernen. Ich verweise daher hier auch auf meinen Artikel zum Lesen. Dort stelle ich dar, wie Lesen von Romanen überaschender Weise die Intelligenz fördert und wie Lesen wesentlich mehr neue Vokabeln vermittelt als zum Beispiel Fernsehen.

Ich muss hierbei anmerken, dass ich während meines Abiturs gut 10 Bücher auf englisch gelesen hatte. Dennoch das passive Lesen verbesserte meine Leistungen in der Schule nicht sofort. Es dauert bis sich das passive Wissen in aktives verwandelt.

 

Stephen Krashens Theorie des Sprachenlernens

All die oben genannten Stufen geben eine Orientierung zum Spracherwerb. Wer dieser Methode folgen will, sollte sich mit Krashen auseinandersetzen. Natürlich gibt es nicht nur eine Methode. Wie Christine auch in einigen ihrer Beiträge darstellt: erfolgreiche Sprachenlerner sind flexibel. Klappt eine Herangehensweise nicht, versucht man die nächste. Krashen ist meines Erachtens jedoch ein Sprachforscher, der zuverlässig auf Forschung verweisen kann. Hier habe ich ja nur meine privaten Erfahrungen dargestellt. Diese Erfahrungen decken sich jedoch mit Krashens genereller Sprachlerntheorie.

Krashen behauptet nun, dass Sprache zunächst nur Verstehen benötige und Kommunikation erst spät einsetzt. Das folgende Video hat einige Aufmerksamkeit im englischsprachigen Internet erhalten. Krashen argumentiert darin, dass wir vor allem durch Zuhören lernen.

Zugegeben, das Video ist sehr alt. Krashen forscht und lehrt aber noch heute. 5 Prinzipien seien dabei Grundsteine seiner Methode:

1. Fokussiere dich auf Inhalte, die für dich wichtig sind (das ist ja auch häufig Thema hier im Blog).
2. Finde die richtigen Werkzeuge wie TPSR (zu Erklärung weiter unten).
3. Konzentriere dich auf das verstehen, denn es bedeutet unterbewusst zu verarbeiten. Eine Sprache zu erlernen, ist ähnlich einem physiologischen Traning. Übe es wie Sport und nicht wie Mathematik. Erst geht es immer nur um das passive Aufnehmen.
4. Wenn dein Gesicht weh tut, dann machst du es richtig. Hiermit meint er, dass wir unbewusst Muttersprachler kopieren.
5. Fröhlichkeit ist wichtig, weil wir dann Ambiguitäten tolerieren. Man kann nicht zu 100 Prozent verstehen, was man hört. Man muss mit dem klar kommen, was man versteht und darf sich nicht frustrieren lassen.

In diesem Video erklärt er diese Theorie und ja leider nur auf Englisch:

Zu den Werkzeugen empfiehlt Krashen vor allem TPRS (Teaching Proficiency through Reading and Storytelling). Es geht ihm darum, durch kleine verständliche Lerneinheiten langsam Sprachverständnis aufzubauen. Dabei muss man nicht alles verstehen. Die meisten Verständnisprobleme können dabei ignoriert werden, solange ein 80 prozentiges Verstehen gegeben ist. Darüber hinaus müsse keine Grammatik erlernt werden. Es geht zunächst nur darum, passiv zu lernen.

Ich kann diesem Ansatz folgen, da ich in ähnlicher Weise Englisch gelernt habe. Ich bin zwar auch als Sprachwissenschaftler in grammatischen Modellen geschult, aber für Englisch habe ich niemals wirklich Grammatik gelernt.

Um Präzision und Motivation zu gewährleisten, solle man nach Krashen noch Spracheltern finden, die einen in einem gewissen Rahmen „erziehen“. Diese „Erziehung“ geschieht jedoch nicht nach der Vorstellung, dass Eltern ihre Kinder ständig korrigieren würden. Eher sollen diese sich für die Erfolge des ‚Sprößlings‘ interessieren. Das Motto sollte immer sein, dass man nicht durch Studieren klug wird, sondern durch das Lösen von kommunikativen Problemen. Spracheltern können einem dabei mit Geduld helfen. Ich habe dabei so viele Menschen auf Tandem gefunden, um Chinesisch zu lernen und habe sogar Freunde gefunden.

Als Letztes sei noch gesagt, dass Krashen sich auf den sogenannten „Comprehensive Input“ konzentriert. Es geht immer darum irgendwo verständliche Inhalte zu finden und mit diesen zu arbeiten. Content ist daher King. Wer Inhalte versteht, der lernt folglich die Sprache. Folgt man diesem Modell, dann macht Sprachenlernen auch Spaß. Krashen zitiert in diesem Sinne Rubinstein:

„He played 8 hours piano a day, but only 1 hour was practice.“

Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, der kurze Artikel konnte euch neue Ideen für das Sprachenlernen vermitteln. Ich würde mich freuen, wenn ihr auch mal bei mir vorbeischaut.

Dr. Norman Schultz, März 2019, Neubrandenburg
www.bewusstes-lernen.de