Was du über die romanischen Sprachen wissen solltest

Heute gibt es einen Gastartikel von Lena von Sprachenlust zu den romanischen Sprachen. So verstehst du die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Sprachen und die Verbindung zum Lateinischen wesentlich besser als bisher!

Was ist die Romania?

Um genau zu sein sind es Gebiete, in denen Sprachen verbreitet sind, die aus dem Latein hervorgegangen sind. Diese Sprachen sind romanische Sprachen und obwohl „Romania“ nach einem lateinischen Wort klingt, ist es nur eine neulateinische Bildung deutschen Ursprungs.

Nun muss noch untergliedert werden, denn es gibt die Romania continua, die Romania submersa und die Romania nova.

Die Romania continua sind die Gebiete, die seit der ersten Romanisierung, also seit der römischen Eroberung, romanischsprachig sind.

Die Romania submersa bezeichnet die Gebiete, die in Folge der ersten Romanisierung wieder entromanisiert wurden.

Die Romania nova beschreibt die Gebiete, in die romanische Sprachen erst nach der ersten Romanisierung getragen wurden. Oft passierte dies im Zuge der kolonialen Expansion der europäischen Mächte.

Ein wichtiger Begriff für die Gliederung der Romania ist die „La Spezia-Rimini-Grenze“

Diese Grenze bezeichnet in der romanischen Sprachwissenschaft eine Linie, die die romanischen Sprachen im Süden des romanischen Sprachraums von denjenigen im Norden unterscheidet. Zu den Sprachen im Süden zählen aber auch die im Osten und zu den Sprachen im Norden auch die im Westen.

Was sind die romanischen Sprachen und wie gliedern sie sich?

Romanische Sprache sind all die Sprachen, die sich aus dem gesprochenen Latein gebildet haben.

Grundsätzlich unterscheidet man hier in vier Gruppen: Iberoromanische, Galloromanische, Italoromanische und Dakoromanische Sprachen.

Zu den Iberoromanischen Sprachen gehören Portugiesisch, Galicisch und Spanisch.

Eine der beiden Brückensprachen ist Katalanisch, denn diese gehört sowohl zu den Iberoromanischen als auch zu den Galloromanischen Sprachen.

Zu den Galloromanischen Sprachen gehören Okzitanisch, Frankoprovenzalisch und Französisch.

Zu den Italoromanischen Sprachen gehören Italienisch, Korsisch, Sardisch und Rätoromanisch.

Die zweite Brücksprache ist Dalmatisch, denn diese zählt zu den Italoromanischen und zu den Dakoromanischen Sprachen.

Zu den Dakoromanischen Sprachen gehören Aromunisch und Rumänisch.
Obwohl die beiden Brückensprachen jeweils zu zwei Obergruppen gehören, sind sie heute gut untersuchbar, denn beide sind noch lebendige Sprachen. Genau genommen heißt das, es sind Sprachen, die noch aktiv gesprochen werden.

Die romanischen Sprachen

Schaust du dir einige Sprachen aus der romanischen Gruppe etwas genauer an, wirst du feststellen, dass die Beziehungen und Verbindungen zwischen ihnen deutlich sichtbar sind.

Italienisch: uno, due, tre, madre, fratello, sorella

Französisch: un, deux, trois, mère, frère, sœur

Spanisch: uno, dos, tres, madre, hermano, hermana

Portugiesisch: um, dois, três, mᾶe, irmᾶo, irmᾶ

Katalanisch: u(n), dos, tres, mare, germà, germana

Fällt dir etwas auf? In Wörtern, die das gleiche bedeuten, kannst du in unterschiedlichen Sprachen Ähnlichkeiten sehen. Du kannst das übrigens auch mit anderen Wörtern ausprobieren!

Das Latein und die Sprachen heute

Wie kamen Wörter in den heutigen Sprachen zustande?

Hierfür verwende ich das Beispiel „10“.

Im Proto-Indoeuropäischen hieß zehn „*DEKM“. Daraus ergab sich unter anderem im Sanskrit (Altindisch) das Wort „dása“ und im Griechischen „deka“. Was für uns aber wirklich wichtig ist, ist das Lateinische.

Im Lateinischen, das auch aus dem Proto-Indoeuropäischen entstanden ist, heißt zehn „decem“. Wie du bestimmt schon weißt, sind die romanischen Sprachen aus dem gesprochenen Latein entstanden. Somit natürlich auch das Wort für zehn unter anderem in folgenden Sprachen:

– Rumänisch: zece
– Italienisch: dieci
– Rätoromanisch: diesch
– Französisch: dix
– Katalanisch: deu
– Spanisch: diez
– Portugiesich: dez

Auch hier kannst du Ähnlichkeiten in den Wörtern sehen, oder?

Dass wir romanische Sprachen lernen und vor allem sprechen können, dürfen wir dem Vulgärlatein verdanken.

Doch was ist Vulgärlatein?

Vulgärlatein sind alle gesprochenen Varietäten des Lateinischen, die in Rom und im gesamten römischen Reich vorkamen. Dabei gab es keine dialektalen oder sozialen Abgrenzungen, jedoch waren interne dialektale Variationen wie in jeder Sprache vorhanden.

Andere Namen für Vulgärlatein sind Sprechlatein oder Spontanlatein, woraus deutlich wird, dass es sich wirklich nur um die gesprochene Sprache und nicht um die schriftliche handelt.

Warum ist das Vulgärlatein für die romanische Sprachgeschichte so wichtig?

Obwohl das Vulgärlatein nur sehr dürftig in schriftlichen Quellen überliefert worden ist, lassen sich viele typisch romanische Spezifika nur aus dem gesprochenen Latein und nicht aus dem klassischen Latein ableiten.

Jedoch gibt es auch einige Dinge, die nicht aus dem Vulgärlatein kommen. Ein Beispiel hierfür wäre der Artikel: Im Lateinischen gab es keinen bestimmten und auch keinen unbestimmten Artikel, in den romanischen Sprachen heute gibt es beide Arten von Artikeln.

Doch kannst du dir überhaupt sicher sein, dass es das Vulgärlatein wirklich gegeben hat?

Ja, kannst du. Hier sind einige Hinweise auf die Existenz und die dazugehörigen Beispiele:

Hinweis 1: Es gibt verschiedene grammatische Züge, die allen romanischen Sprachen gemeinsam sind, aber im klassischen Latein fehlen.

Hinweis 2: Außerdem gibt es Wörter und grammatische Züge des klassischen Lateins, die in keiner romanischen Sprache erhalten sind.

Beispiel 1) Die Futurformen in den romanischen Sprachen

Die Futurformen cantabo, cantabis, cantabit wurden überall durch eine Form von cantare habeo, was so viel bedeutet wie „ich habe zu singen / ich muss singen“, ersetzt. Dies ist auch in romanischen Sprachen zu sehen:

Portugiesisch: cantarei (cantar-hei)
Spanisch: cantaré (cantar-he)
Katalanisch: cantaré (cantar-he)
Französisch: chanterai (chanter-ai)
Italienisch: canterò (cantare-ho)

Beispiel 2) pulcher, bellus und formosus

Im klassischen Latein wurde das Wort pulcher, was schön bedeutet, verwendet. Auch die alten Römer stellten anscheinend fest, dass das Wort für „schön“ eigentlich gar nicht schön ist, sodass sie es im Vulgärlatein durch bellus oder formosus ersetzten. Dass das Wort im klassischen Latein durch zwei Wörter ersetzt worden ist, kannst du auch in den romanischen Sprachen sehen:

Portugiesisch: formoso, -a (von formosus)
Spanisch: hermoso, -a (von formosus)
Katalanisch: bell, -a (von bellus)
Französisch: beau, belle (von bellus)
Italienisch bello, -a (von bellus)

Beispiel 3) Die Wörter Feuer und Feuerstelle

Aus ignis (Feuer) im klassischen Latein wurde focus (Feuerstelle, Herd) im gesprochenen Latein. Auch hier wird sehr deutlich, dass die romanischen Sprachen aus dem Vulgärlatein entstanden sind:

Portugiesisch: fogo
Spanisch: fuego
Katalanisch: foc
Französisch: feu
Italienisch: fuoco

Wo gibt es Quellen für das Vulgärlatein?

Es ist klar, dass das gesprochene Latein nicht oft aufgeschrieben worden ist. Was für uns natürlich nicht sehr gut, weil vieles ungeklärt bleibt. Jedoch gibt es einige lateinische Inschriften, die als Quellen dienen. Auch in Pompei und Herculanum sind Quellen in Form von Wandmalereien vorhanden, die uns helfen, das Vulgärlatein zu untersuchen.

Denkst du jetzt an Cicero? Ja, auch solche Schriften wie die von Cicero dienen als aussagekräftige Quelle, wenn es darum geht, das Vulgärlatein nachvollziehen und gewisse Ableitungen aufdecken zu können.

Musst du Latein können, um eine romanische Sprache zu lernen?

Eine romanische Sprache lernst du nicht leichter oder schneller, nur weil du Latein kannst. Manchen Leuten hilft es, aber im Grunde ist es wichtig, dass du Spaß dabei hast, diese Sprache zu lernen und den wirst du auch haben, wenn du kein Latein kannst!

Hat dir der Artikel gefallen? Dann schau doch auch mal auf Sprachenlust vorbei!

Ich heiße Lena und bin das Gesicht hinter dem Blog Sprachenlust – Lernen & Leben. Bei mir kannst du über die Themen Sprachen lernen und das Leben lesen und dabei ganz viel entdecken. Wenn ich nicht gerade meine Zeit mit Schreiben verbringe, studiere ich in Freiburg FrankoMedia und Italienisch.

4 Kommentare

  1. Ulrich Pätzold-Jäger

    Würde gerne regelmäßig Infos zu den Romanischen Sprachen erhalten.
    Bin Romanist und nun im aktiven Ruhestand.
    Salve und Glück auf.
    Ulrich Pätzold-Jäger, M.A.

  2. Alison

    Hallo,
    dalmatisch ist eine ausgestorbene Sprache, die heute nur aus Urkunden bekannt ist!!!

  3. Monn Aurelio

    Hallo Lena
    Ju patarla romontsch Tujetschin.
    Also eine ältere version oder?
    Nun bin ich mit dem Velo durch verschiedene Länder unter anderem Rumänien und bin nun in Thailand gelandet.
    Meine Frage gibt es auch hier Latinische ableger?
    Hier ein Thailändischer Satz;
    Crai ti pai talè übersetzt in Tujatschin
    Glaube,du,fuss(gehen) webstuhl
    Und das bedeutet ;
    Wer geht im (am ) meer

    • Christine

      Hallo Monn,

      danke für deinen Kommentar. Mit diesen Sprachen bin ich allerdings komplett überfordert. Lena hat nur den Gastartikel bei mir geschrieben.

      Viele Grüße
      Christine

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