Kennst du das?
Du machst seit etlichen Monaten einen Italienischkurs (wahlweise auch Spanisch, Französisch oder eine andere Sprache), fährt hochmotiviert nach Italien, nimmst deinen ganzen Mut zusammen und fängst an, Italienisch zu sprechen: mit dem Kellner, mit der Verkäuferin am Marktstand, mit dem Taxifahrer, mit der Hotelangestellten.
Und was passiert? Alle antworten dir in Deutsch oder in Englisch.
Wie reagierst du? Sprichst du weiter Italienisch oder wechselst du ebenfalls zu Deutsch oder Englisch?
Da du niemanden beleidigen und niemandem auf die Nerven fallen möchtest, lächelst du freundlich, antwortest in Deutsch oder Englisch und denkst bei dir: „Naja, ich kann ja sowieso noch nicht richtig sprechen. Wenn ich es erst mal richtig kann, dann werden die Leute mir schon in Italienisch antworten.“
Insgeheim aber bist du sehr enttäuscht und denkst bei dir: Warum lerne ich überhaupt?
Aber weiß dein Gesprächspartner überhaupt, dass du die Sprache lernen willst?
Vielleicht denkt er, er tut dir einen Gefallen, wenn er dir in einer Sprache antwortet, von der er glaubt, dass du sie beherrschst.
Wie bringst du also „unseren“ Italiener dazu, dir in seiner Muttersprache zu antworten?
1) Fahre – um beim Beispiel Italien zu bleiben – nicht an den Gardasee, sondern in die Abruzzen.
Dort triffst du in manchen Orten garantiert niemanden, der Deutsch oder Englisch spricht, so dass sich das Problem von selbst lösen wird. Der Tipp ist also: Vermeide Gegenden mit vielen Touristen. Du hast das bestimmt selbst auch schon festgestellt: Wenn du in einem Touristenort deine Ferien verbringst, wirst du vielleicht gleich zwei Probleme haben: Erstens wird das Personal von Hotels, Restaurants und Geschäften dir meist in Deutsch oder bestenfalls in Englisch antworten, eben weil sie es so gewohnt sind, und zweitens ist dieses Personal gegen Ende des Tages, gegen Ende der Woche und ganz sicher gegen Ende der Saison dermaßen genervt von den vielen Touristen, dass sie dir dann nicht nur in deiner Muttersprache antworten, sondern auch häufig ziemlich unfreundlich sind.
Da hilft nur: Fahre in eine Gegend mit weniger Tourismus. Du wirst dort nicht nur wesentlich freundlicher behandelt, sondern findest auch das Ursprüngliche und Typische vor, was in den Touristenorten häufig verloren gegangen ist. Und: Die Menschen sind freundlich und haben viel mehr Zeit für dich. Dort kannst du entspannt dein Italienisch üben.
2) Bleibe hartnäckig.
Wenn dir jemand in Deutsch oder Englisch antwortet, obwohl du Italienisch sprechen möchtest, dann sprich auch weiterhin Italienisch. Natürlich ist das keine gute Idee, wenn der Verkäufer oder Busfahrer sehr gestresst wirkt, aber im Allgemeinen zahlt sich diese Hartnäckigkeit aus. Hierfür empfiehlt es sich, den Satz „Ich lerne Italienisch, bitte sprechen Sie Italienisch und nicht Deutsch/Englisch mit mir“ anzuwenden. Wenn du dir diesen Satz in Italienisch nicht merken kannst, dann schreibe ihn dir zu Hause auf einen kleinen Zettel und lege diesen in deinen Geldbeutel. So hast du ihn bei Bedarf immer griffbereit.
3) Verhalte dich, als würdest du kein Englisch verstehen.
Da viele Menschen doch eher kein Deutsch sprechen, werden sie dann gezwungen sein, in ihrer Muttersprache mit dir zu kommunizieren. Bei diesem Tipp ist auch ein bisschen schauspielerisches Talent gefragt, deine Mitreisenden finden die gebotene „Show“ sicherlich amüsant! Also sagst du zwei- oder dreimal: „Non capisco“ und dein Gesprächspartner wird schnell auf Italienisch umschwenken. Dann hast du aber hoffentlich gut deine Vokabeln gelernt, damit du während seines Wortschwalls nicht dauernd „Non capisco“ sagen musst.
4) Informiere deinen Gesprächspartner darüber, dass du Italienisch lernen möchtest.
Diesen Tipp habe ich bei Punkt 2 schon erwähnt. Wenn du die Muttersprachler nicht informierst, dass du Italienisch lernst, dann wissen sie es nicht, denn hellsehen können sie vermutlich nicht. Du wirst es ihnen also sagen müssen. Notfalls schreibst du dir entsprechende Sätze auf einen Zettel, steckst diesen in deinen Geldbeutel und zeigst ihn bei Bedarf vor. Dann werden sicherlich viele Menschen positiv auf deine Bitte reagieren.
5) Frage deinen Gesprächspartner, wenn er dir in Deutsch oder Englisch antwortet: „Wie sagen Sie dazu in Italienisch?“
Er wird dir sicherlich gerne Auskunft geben, und du hast trotz der englischen oder deutschen Antworten etwas gelernt. Und speziell in Italien wirst du die Erfahrung machen, dass dir die Menschen gerne Auskunft geben und mir dir sprechen, dir etwas erklären, dir etwas zeigen. So sieht authentischer Sprachunterricht aus. Auch dieser Satz „Wie sagen Sie dazu in Italienisch?“ sollte auf den Geldbeutel-Notfallzettel.
Und wenn der jeweilige Gesprächspartner wirklich nicht Italienisch mit dir reden möchte?
Dann bedanke dich freundlich und suche dir jemand Anderen! Schließlich gibt es genügend Italiener. Um ein bisschen vorzubeugen: Im Allgemeinen sind ältere Menschen gesprächsbereiter als jüngere, denn sie haben meist mehr Zeit, Du wirst also feststellen, dass du mehr Erfolg mit deinen Sprachbemühungen haben wirst, wenn du die italienische „Nonna“ mit 75 Jahren fragst und nicht den 35-jährigen Bankmanager, der mit seiner Aktentasche und einem Coffee-to-go gerade von seinem dritten zum vierten Termin hetzt.
Du wirst feststellen, dass dir die meisten Menschen sehr wohlwollend und hilfsbereit gegenübertreten und alles tun werden, dir beim Sprachenlernen zu helfen. Also: Nur Mut!
Der Zusatztipp
Übe Gesprächssituationen wie „Ich möchte wissen, wo der Bahnhof ist“ nicht erst ein, wenn es dringend ist und dein Zug in 10 Minuten fährt. Am besten machst du einige Male vorher eine Art „Trockenübung“: Du fragst also verschiedene Passanten auf der Straße nach dem Weg zum Bahnhof, obwohl du weißt, wo dieser sich befindet. Das Ziel ist, immer entspannter zu fragen und auch immer entspannter den Antworten zuzuhören. Wenn es dann wirklich mal dringend wird und du wirklich schnell eine Auskunft brauchst, dann hast du die Situation schon einige Male durchgespielt und hast somit schon viel mehr Routine. Das funktioniert übrigens nicht nur mit Fragen nach dem Weg. Stecke deine Uhr in die Tasche und frage Passanten nach der Uhrzeit. Frage den Barmann nach seinem Lieblingsrestaurant. Frage einen Herrn an der Bushaltestelle, wo es das beste Eis der Stadt gibt. Deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Und denke auch daran, dass beim Sprachenlernen nicht die zufälligen Begegnungen auf der Straße den Hauptteil der Anwendung ausmachen, sondern die Gespräche mit Bekannten, Verwandten und Freunden – und bei diesen sollte es normalerweise kein Problem sein, ihnen mitzuteilen, dass sie Italienisch mit dir sprechen sollen. Und suche dir unbedingt Tandempartner und Muttersprachler speziell zum Erlernen der Sprache. Diese findest du – das habe ich schon häufig erwähnt – ganz leicht über Italki*. Sprachpartner haben nämlich auch einen leicht erzieherischen Effekt: Du musst dich regelmäßig mit der Sprache beschäftigen, denn wenn sie dir schreiben, warten sie auf eine Antwort. Wenn sie mit dir sprechen, soll das kein Monolog sein. Du wirst sehen, dass das dein Leben sehr bereichert!
Und natürlich gelten – wie schon zu Anfang erwähnt – diese Tipps nicht nur für die italienische Sprache, sondern auch für Spanisch, Französisch, Portugiesisch, Schwedisch oder welche Sprache auch immer.
*Partnerlink
Hallo
besonders in Ländern wie der Slowakei oder Kroatien ist es sehr schwierig jemanden im Tourismusbereich zu finden, der nicht gut Deutsch oder Englisch kann. Und sie es auch gewöhnt mit Touristen in der Fremdsprache zu sprechen. Aber der Trick, einfach in der Landessprache zu antworten und darzauf zu beharren, funktioniert dort auch. Gerade bei den Kroaten kann es passieren, dass sich der Partner erst nach der 3. Antwort einstellt in seiner Landessprache zu sprechen.
lg.
Johann
Hallo Johann,
vielen Dank für deinen Kommentar. Was du über Kroatien schreibst, kommt mir bekannt vor – und zwar aus typischen Urlaubsgegenden in Italien, dem Gardasee zum Beispiel. Ich denke auch, dass man da hartnäckig bleiben muss. Und man darf aber eines nicht vergessen: Die Verkäufer, Rezeptionisten, Kellner und Busfahrer sind nicht die Sprachlehrer. In Stresssituationen wird es sicher schwierig, jemanden zu finden, der sich geduldig mit einem unterhalten wird. Aber wenn man klug plant, vielleicht die Hauptzeiten vermeidet und auf die Zeiten ausweicht, während derer die Leute mehr Zeit haben, sind sie bestimmt bereit, auf das „Ich möchte aber … lernen, bitte sprechen Sie diese Sprache mit mir!“ einzugehen.
Herzliche Grüße
Christine
Immer wieder ein toller Artikel. Ich war früh in diesem Jahr in Deutschland und habe es versucht mit menschen auf Deutsch zu sprechen kommen. Manchmal hat es funktioniert und manchmal hat es nicht.
Immerhin wenn man mit mir auf English gesprochen hat habe ich trotzdem auf Deutsch weiter geredet. Es hat immer funktioniert und ich denke, dass vielleicht die Leute gedacht haben, dass ich kein Englisch kann. Ebenfalls lustig.
Ein gute Ort einzureisen ist Brasilien. Ich kann sicher behaupten dass fast niemand Englisch spricht und natürlich kein Deutsch. -D
Hallo Ricardo,
schön, dass ich von dir mal wieder etwas lesen darf! Du bist also der Beweis, dass man hartnäckig bleiben muss und weiter in der Fremdsprache sprechen sollte.
Wo in Deutschland warst du? Ich hoffe, nicht bei uns in der Gegend, sonst würde ich mich ärgern, dass wir uns nicht auf einen Kaffee verabredet haben 🙂
Und hat dir Deutschland gefallen?
Danke auch für das Kompliment!
Viele Grüße
Christine
Hallo,
Ich bin inmer dabei und immer lese was neues auf deinem Blog gibt. 🙂
Die Deutsche war meistens sehr sympathisch. Kann ich es sagen. Die Kölner mehr. Ich habe einen Mann in einer Kneipe kennengelernt aber unsere Rede zu „Politische orientiert“ war um das auf Deutsch zu führen. Dieses mal musste ich mich auf Englisch setzen. 🙁
Ich war in Köln und Berlin. Deutschland gefällt mir sehr gut. Ich kann nicht darauf warten um dahin wieder zu fliegen, was näschtes Jahr passiert wird, als ich nach Deutschland umzieh.
Leider wusste ich damals und immer noch nicht wo du lebst. Ich hoffe, dass es nicht in Berlin oder in Köln der fall ist, sonst wäre ich mich sehr enttäuscht, dich nicht kennengelernt habe (oder zu haben ?)
Bis nächstes mal. Wie sehen uns wieder. 🙂
Hallo Ricardo,
nein, ich bin nicht aus Berlin oder Köln. Ich lebe in Nordbayern, in der Nähe von Nürnberg. Es freut mich aber sehr, dass es dir in Deutschland gefallen hat.
Du ziehst nächstes Jahr nach Deutschland? Weißt du schon wohin?
Und danke, dass du immer meinen Blog liest und so fleißig kommentierst! Das freut mich wirklich sehr.
Ich freue mich schon auf deinen nächsten Kommentar 🙂
Viele Grüße
Christine
Christine,
ich ziehe nach Berlin. Ich habe nur noch ein Jahr mehr um meine Deutsch zu verbessern und genau damit dein Blog mir hilft.
Ich lese immer die Artikeln um meine Deutsch zu verbessern aber auch, weil sie sehr Interessant sind. Leider Gelegenheiten mit anderen zu sprechen fehlt mir.
Wenn ich in Deutschland bin, dann können wir uns verabreden und ein Kaffeetasse trinken. =)
Hallo Ricardo,
das machen wir unbedingt! Danke für dein Kompliment!
Viele Grüße
Christine
P.S. Und auf unsere Verabredung freue ich mich jetzt schon!
Liebe Sabine,
toll, dass ihr im Hotel so kooperativ seid – die Gäste werden euch sicherlich dankbar sein dafür. Oft sind solche Situationen ja die einzigen Sprechgelegenheiten – nicht alle Sprachlerner pflegen Kontakte zu Muttersprachlern.
Liebe Grüße
Christine
Hallo Christine
Tipp 4 funktioniert. Das habe ich schon öfter erlebt.
Manchmal haben wir Gäste, die gern Deutsch mit uns reden möchten. Den Wunsch respektieren wir immer. Da wird dann nur noch im Notfall auf Englisch oder Französisch geantwortet.
Sabine
Hallo,
vielen Dank für das tolle Kompliment – das spornt richtig an! Ich freue mich, dass dir meine Tipps gefallen und wünsche dir viel Erfolg und vor allem – denn das ist das Wichtigste – viel Spaß und Begeisterung beim Lernen. Welche Sprache möchtest du denn lernen bzw. mit welcher Sprache beschäftigst du dich denn?
Liebe Grüße
Christine
Ein großes Kompliment an dieser Stelle für deinen Blog und ebenso für diesen Beitrag.
Ich spiele schon seit längerem mit dem Gedanken, mich wieder mehr mit Sprachen und vorallem dem Lernen von Sprachen zu beschäftigen und ich empfinde deine Worte als wirkliche Motivationsstütze dazu! 🙂