Interview Birgit Kasimirski

 

Es gibt wieder einmal einen Interviewgast: Birgit Kasimirski. Birgit ist Übersetzerin, Journalistin und (unter anderem) Englischtrainerin und hat ein Buch zur englischen Grammatik geschrieben.  Neugierig geworden?

Hallo Birgit, erzähle mir ein bisschen über dich selbst und deinen Hintergrund. Welche Sprachen sprichst du? Welche Leistungen bietest du auf deiner Webseite an?

Liebe Christine, vielen Dank für dein Interesse! Ich bin seit etwa 15 Jahren freiberuflich tätig und habe 2014 ein Buch geschrieben: ENGLISCHE GRAMMATIK, das im Anaconda Verlag erschienen ist.

Ich spreche sehr gut Englisch und Spanisch auch ganz passabel, benutze Spanisch aber leider fast nie. Ich komme gebürtig aus Wuppertal, wo ich zur Schule gegangen bin. In Düsseldorf habe ich gearbeitet, bevor ich vor exakt 25 Jahren (1994) zwei Jahre lang in England lebte. Danach folgte ein Studium in Bochum, eine Ausbildung zur Wirtschaftsjournalistin in Köln, weitere Stationen in Budapest und Wien, bevor meine Familie und ich nach Korschenbroich gezogen sind, wo ich heute arbeite.

Auf meiner Webseite biete ich Englisch-Trainings an, außerdem Texte auf Deutsch und Englisch und Englisch-Übersetzungen.

 

Warum hast du dich entschieden, Sprachen zu lernen?

Sprachen haben mich immer schon interessiert! In der Realschule lernte ich Englisch und Französisch (von vier Jahren Schulunterricht ist jedoch kaum etwas hängen geblieben). Mich hätte auch Japanisch sehr gereizt, aber die Frage, diese Sprache zu studieren, hat sich damals für mich nicht gestellt. Ein Austauschprogramm für junge Berufstätige nach England war für mich die einzige Möglichkeit, für eine Zeitlang im Ausland zu leben. Diese Gelegenheit habe ich ergriffen. Der Schritt war beruflich der erste, weg von meiner damaligen Arbeit bei der Bank, hin zu einem Thema, das mich sehr viel mehr interessierte: Sprachen.

 

Und warum hast du dich entschieden, im Sprachenbereich zu arbeiten?

Das hat sich in meinem Fall vielmehr ergeben. Mein Werdegang enthält ein paar „Biegungen“ und begann bei einem Realschulabschluss, worauf eine Banklehre folgte, vier Jahre Berufstätigkeit bei der Bank und dann der Aufenthalt in England. Aber auch da war mir noch nicht klar, dass ich einmal im Bereich Sprachen arbeiten werde. Ich bin Stück für Stück immer den nächsten möglichst logischen Schritt gegangen. Zurück in Deutschland habe ich studiert (Anglistik, Amerikanistik und Politikwissenschaften) und ein Volontariat zur Wirtschaftsjournalistin gemacht. Bei allen Stationen nach England war dabei die englische Sprache immer sehr gefragt und hat mir Türen geöffnet, beispielsweise auch zum Volontariat, weil wir unter anderem für englische Zeitungen geschrieben haben. Als ich eine Zeitlang in Wien lebte (2005-2009), begann ich freiberuflich vor allem als Englisch-Trainerin zu arbeiten, auch wieder, weil die Nachfrage da war. Über die Jahre stellte ich fest, es liegt mir, das Thema Grammatik verständlich und mit einem starken Praxisbezug näher zu bringen. Letztendlich haben sich alle Stationen glücklich zusammengefügt. Als Trainerin und Übersetzerin profitiere ich von meinen Erfahrungen als Journalistin (man muss oft die richtigen Fragen stellen). Es hat sich alles gefügt. Im Englischen würde ich sagen: In the end, all fell into place. Das trifft es ganz gut.

 

Wie sieht erfolgreiches Sprachenlernen aus, was ist für dich die beste Methode?

Ich kenne sicher nicht alle Methoden! Und ich denke es ist zu beachten, dass es unterschiedliche Lerntypen gibt. Für mich ist es eine gute Methode, erst einmal eine Bestandsaufnahme zu machen: Wo steht die/der Lernende? Welche Vorkenntnisse hat sie/er, welche Erfahrungen hat sie/er bisher gemacht? Wie lernt sie/er am besten? Visuell oder auditiv? Sprachenlernen beinhaltet im besten Fall immer das Lernen mit allen Sinnen – deshalb ist ein Aufenthalt im Land der Zielsprache ja auch so effektiv – dort kann ich keinen Sinn abschalten. Wichtig ist vor allem auch herauszufinden, was das Ziel des Lernenden ist. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass mir Sprachschulen in England und Deutschland für Englisch und Spanisch quasi „vordiktieren“ wollten, welchen Kurs ich belegen müsse – auch mit diesem Wort „Sie müssen“, ohne vorher abzufragen, wo ich stehe oder was ich mir zutraue. Das ist mir extrem negativ aufgestoßen. Weil ich sowieso ein Mensch bin, der eher angespornt wird, wenn jemand sagt „Das geht nicht“, suche ich dann „erst recht“ nach einem anderen, alternativen Weg, den es immer gibt.

Meine Antwort auf die Frage ist also: Es gibt keine beste Methode. Jeder sollte für sich die richtige Schule oder die/den richtigen TrainerIn finden.

 

Wie ist dein Lernansatz?

Wie oben erwähnt, beginne ich mit einer Bestandsaufnahme. Das beinhaltet ganz konkret die „Abfrage“, wie gut oder schlecht die Grammatik angewendet wird. Diese Abfrage erfolgt einfach in einem Gespräch, durch Fragen (da kommt die Journalistin in mir durch) oder durch einen kurzen schriftlichen Text („Schreiben Sie, was Sie im letzten Urlaub erlebt haben“.) Ich erkenne dann sehr schnell, wo jemand steht.

Dann setze ich dort an. Ich erkläre meinem Gegenüber, was ich vorhabe. Dass ich also die wichtigsten Grammatik-Zeiten noch einmal erklären und üben werde und an welchen Schwachstellen ich besonders arbeiten möchte. Ich finde es sehr wichtig, dass der Lernende genau weiß, woran sie/er bei mir ist.

Und dann geht es schon in die Praxis. Ich beginne z.B. damit, den Unterschied zwischen Simple Present und Present Continuous aufzuschreiben – kurz und verständlich die wesentlichen Eckdaten – und los geht es! Meistens haben meine Lernenden Vorkenntnisse, ich kann also auf einen gewissen Grundstock aufbauen. Oft fehlt es aber an dem Wissen, wofür ich welche Zeit brauche. Das ist mein Praxis-Ansatz, zu erklären, wofür ich was brauche und was ich nicht unbedingt häufig in der gesprochenen Sprache benötige.

Damit möchte ich die Lernenden motivieren und wegkommen von dem Gefühl, dass ein Riesenberg an Wissen auf sie/ihn wartet – (Wie soll ich das alles behalten?!). Nein – ich sage, das ist nicht so viel, ich packe es in kleine, verdauliche Häppchen und präsentiere es so, dass es nicht belastet, sondern Spaß macht.

 

Hast du eine Lieblingssprache?

Natürlich Englisch! Spanisch mag ich auch gerne, aber ich bin leider zu sehr „raus“. Aber auch im Spanischen habe ich es genossen, als ich – ich habe eine Zeitlang in Spanien verbracht – begonnen habe, Spanisch zu denken. Ich finde es immer noch faszinierend, wie sich das Gehirn „umstellt“. Lebt man in einem anderssprachigen Land und spricht die Sprache, verändert sich auch wie wir denken. Das muss vielen Menschen so gehen, die mit Sprachen „jonglieren“.

 

Wenn du eine neue Sprache lernst, hast du immer die gleiche Strategie?

Das kann ich nicht sagen. Bei Spanisch war es komplett anders als bei Englisch, denn Englisch habe ich sechs Jahre in der Schule gelernt und einen sehr guten Grundstock dort erhalten. Den ersten Spanisch-Kurs dagegen buchte ich bei einer Sprachschule. Der nächste Schritt war Konversation auf Spanisch mit einem Südamerikaner bei McDonald`s in London (das war der Treffpunkt!) und später Kurse an der Uni. Allerdings: den entscheidenden Schritt im Verständnis und bei der Sprachkompetenz habe ich sicher gemacht, als ich Zeit in Spanien verbracht habe, das war dann also doch ähnlich wie in England.

Würde ich heute eine neue Sprache lernen – wahrscheinlich Chinesisch oder Japanisch – würde ich zunächst einen Grundkurs belegen. Heute gäbe es aber viel mehr online-Angebote, vermutlich würde ich eines dieser Angebote in Anspruch nehmen. Und einen realistischen Zeithorizont ansetzen: vier bis sechs Jahre, um mich verständigen zu können.

 

Welche Materialquellen verwendest du normalerweise? Mit welchen Programmen, Tools und Apps arbeitest du? Gibt es ein Lieblingsprogramm?

Ich arbeite nicht mit allzu vielen Tools und Apps, benutze aber natürlich eine Übersetzungs-App (Linguee) und die Angebote von www.britishcouncil.co.uk. und Materialien, die ich im Internet finde. Viele Arbeitsmaterialien erstelle ich auch selbst.

Tools und Apps sind ein Bereich, in den ich mich zukünftig mehr hineinarbeiten möchte.

 

Welche täglichen Gewohnheiten in Bezug auf das Lernen hast du dir angeeignet?

Lernen heißt für mich immer auch, Ziele und Etappenziele setzen. Das kann die nächste Unterrichtsstunde sein oder eine Serie in der Zielsprache ansehen zu einer festen Uhrzeit jede Woche. Es bedeutet Organisation – das, was ich lernen möchte, in meinen Alltags-Rhythmus integrieren!

 

Wie schaffst du es, neben einer Vielzahl von anderen Beschäftigungen zu lernen?

Auch hier ist die Antwort Zeit-Management. Ich muss realistisch sein und ehrlich zu mir: Schaffe ich es, wöchentlich zu einem Kurs zu gehen und daneben etwa zwei Stunden aufzuwenden, um mich mit den Inhalten zu befassen? Wenn ich nicht in der Lage bin, diese Zeitfenster zu finden, wird es schwierig, tatsächlich in der Sprache voranzukommen.

 

Wie erhält man die Motivation zum Sprachen-Lernen aufrecht?

Indem man ehrlich zu sich selbst ist und sich bewusst für das Lernen der Sprache entscheidet. Außerdem: sich klarmachen, wie man dadurch profitiert. Sich endlich im nächsten Urlaub problemlos verständigen können? Keine Bedenken mehr haben vor der nächsten Telefonkonferenz? Bei Treffen mit internationalen Kollegen cool mitreden können?

Und: nicht zu hohe Ziele stecken. Wir sind alle nur Menschen. Es nützt nichts, immer etwas hinterherzulaufen. „Ich würde ja gerne, aber..“ Entweder ich mache es oder der richtige Zeitpunkt ist noch nicht da.

Es hilft auch, gemeinsam mit einem Freund/einer Freundin zu lernen, dann kann man sich gegenseitig motivieren.

 

Welchen Fehler gilt es unbedingt zu vermeiden?

Das ist eine schwierige Frage, weil ich glaube jeder lernt anders. Ich möchte daher nicht generell sagen Handlung X ist falsch oder Handlung Y. Für mich wäre es damals in England ein Fehler gewesen, der Sprachschule zu glauben. Dann hätte ich für das Zertifikat zwei Jahre Vorbereitung „gebraucht“ (deren Meinung), anstatt sechs Monate. Also würde ich sagen: Nicht auf das eigene Bauchgefühl zu hören, das ist ein Fehler. Auch mal Aussagen von Lehrern, Lerninstituten und Pädagogen hinterfragen. Denn manch eine/r fühlt sich in der Rolle wohl zu demonstrieren: „Ich kenne mich in dem Fach aus und ich sage dir, was du brauchst.“

 

Was würdest du einem neuen Sprachlerner empfehlen? Wie soll er anfangen? Und an welchem Punkt sollte er damit anfangen, Grammatik zu lernen?

Eine neue Sprache zu lernen macht zunächst einmal viel Spaß. Ich meine, dass es in einer Gruppe schön ist – alle fangen bei null an und schauen erst einmal: ist das etwas für mich?

Für einen Neuanfänger kommt die Grammatik, nachdem erste Sätze und Vokabeln rund um Alltagssituationen gelernt wurden.

Bei allen, die Vorkenntnisse mitbringen, ist die Grammatik immer sofort ein Thema.

 

Wie wichtig ist deiner Meinung nach Talent beim Sprachenlernen?

Talent hilft natürlich enorm. Sprachbegabte tun sich leichter. Das ist unfair, aber nicht zu ändern. Menschen mit weniger Sprachbegabung haben es sicher schwerer, aber auch ihnen möchte ich vermitteln, dass sie sich nicht abschrecken lassen sollten. Jeder kann sich eine Sprache erschließen, vielleicht nicht jeder perfekt, aber ein realistisches Ziel ist immer, sich sicher zu fühlen, um zu kommunizieren. Das notwendige Wissen dafür vermitteln ihr/ihm Sprachen-Trainer.

 

Wie viel Zeit pro Tag oder pro Woche sollte man auf das Sprachenlernen verwenden?

In einer idealen Welt sind zwei bis vier Stunden in der Woche sicher optimal. Aber wir leben in einer realistischen Welt und wieder: Das lässt sich nicht verallgemeinern. Vielleicht lernt Max intensiv am Wochenende einen halben Samstag genauso viel wie Moritz über zwei Wochen hinweg abends immer mal wieder lernt. Man sollte regelmäßig etwas Zeit aufwenden und: Je mehr Zeit man aufwendet, desto schneller stellen sich Lernerfolge ein – das ist wie bei allen anderen Dingen auch.

 

Was ist dein wichtigster Tipp für Sprachlerner?

Mein wichtigster Tipp? Sich anstecken lassen von dem Spaß am Sprachen sprechen. Sich unter eine Gruppe Leute begeben, die in der Zielsprache sprechen und erfahren wie es ist, wirklich mitreden zu WOLLEN. Das würde ich jedem Interessenten raten.

 

Gibt es Sprachenblogs oder -podcasts, die du regelmäßig verfolgst?

Leider nein, aber auch hier werde ich zukünftig definitiv aktiver werden. Das sollte ich in mein Zeit-Management aufnehmen. Allerdings bin ich zurzeit oft fremdbestimmt – durch meine Aufraggeber und meine Familie. Aber alles zu seiner Zeit.

 

Woran erkennt man einen Sprachennerd?

Ich habe das Wort selbst noch nie verwendet. Jemand, der besessen davon ist, viele Sprachen zu lernen, der niemals aufhört, sich dafür zu interessieren?

 

Gibt es noch etwas, was du mir mitteilen möchtest?

Leider kennen wir uns nicht persönlich. Dieses Jahr werde ich es voraussichtlich auf die Expolingua in Berlin schaffen – weil es auf meiner Agenda steht und eingeplant ist! Ich freue mich darauf, viele Menschen kennen zu lernen, die ebenso sprachbegeistert sind wie ich.

 

Ein letzter Gedanke: Als „Kind der 80er Jahre“ (meine Schulzeit) ist es mir unverständlich, wie Menschen die europäische Idee nicht positiv sehen können. Der Wunsch sich voneinander abzuschotten ist für mich vollkommen befremdlich.

 

Vielen Dank, Birgit, für das großartige Interview!

Wenn du mehr über Birgit wissen möchtest, dann besuche doch ihre Webseite!