Wie wichtig sind Redewendungen in einer Fremdsprache?

 

Redewendungen findet man in jeder Sprache. Allerdings sind sie ziemlich schwierig zu lernen und der Sprachlerner fragt sich häufig, ob sie wirklich sein müssen. Das Problem bei Redewendungen ist nämlich, dass sie in den meisten Fällen nicht wörtlich übersetzt werden können und dass häufig jegliche Logik bei der Bildung der Formen fehlt. Natürlich kommt man beim Sprachenlernen auch ohne Redewendungen aus, aber im Laufe der Zeit, vor allem als fortgeschrittener Lerner, wirst du feststellen, dass dir irgendetwas fehlt. Ich finde also, dass Redewendungen wichtig sind. Daher beschreibe ich dir in diesem Artikel, worauf du beim Lernen von Redewendungen achten solltest und wie du sie am besten aufbereitest.

 

Warum sind Redewendungen wichtig?

Natürlich kannst du deine Lernsprache sprechen, ohne Redewendungen zu verwenden. Wenn du aber einmal ein paar Tage darauf achtest, wie du deine Muttersprache verwendest, wirst du schnell feststellen, dass du jeden Tag sehr viele Redewendungen gebrauchst. In deiner Muttersprache sind dir also Redewendungen schon in Fleisch und Blut übergegangen und du denkst nicht einmal mehr darüber nach, ob und wann du sie verwendest.

Ähnlich ergeht es dann natürlich auch dem Italiener, mit dem du in Rom sprichst, dem Franzosen in Paris oder dem Spanier in Madrid. Auch er verwendet Redewendungen in seiner Alltagssprache. Wenn du also bisher gedacht hast, ohne Redewendungen in deiner Lernsprache auskommen zu können, wirst du jetzt feststellen, dass dem nicht so ist. Schließlich willst du ja verstehen, was der Italiener, der Franzose oder der Spanier zu dir sagt.

Also musst du Redewendungen nicht unbedingt aktiv beherrschen und selbst verwenden können, aber du solltest sie zumindest verstehen, wenn jemand mit dir spricht.

 

 

Wie kannst du Redewendungen auswählen?

Du kannst nicht alle Redewendungen dieser Welt lernen. Die Liste der Redewendungen einer Sprache ist unendlich, für die Sprachen wie zum Beispiel Englisch, Französisch, Italienisch oder Spanisch gibt es sogar richtige Wörterbücher dafür. Also brauchst du einige Anhaltspunkte, um zu entscheiden, ob es sich lohnt, eine Redewendung zu lernen oder nicht.

 

Hier kommen meine drei Auswahlkriterien:

  • Verwendest du die Redewendungen auch in deiner Muttersprache?

Die Grundregel ist: Wörter, die du in deiner Muttersprache nicht verwendest, brauchst du auch in der Fremdsprache nicht. Dies gilt nicht nur für Redewendungen, sondern ganz allgemein für jedes Wort der Fremdsprache. Warum solltest du in Englisch über Astrophysik diskutieren können, wenn dich dieses Thema schon in Deutsch nicht interessiert?

 

  • Sind die Redewendungen in der Fremdsprache gebräuchlich?

Es hilft dir nichts, wenn du französische oder italienische Redewendungen lernst, wenn diese in der jeweiligen Region in Frankreich oder in Italien überhaupt nicht verwendet werden. Außerdem ändern sich Redewendungen mit der Zeit. Ein Beispiel dafür ist die deutsche Redewendung „Wer den Pfennig nicht ehrt …“ Da es in Deutschland die Währungen „Pfennig“ und „Mark“ überhaupt nicht mehr gibt, ist die Redewendung veraltet und wird nicht mehr verwendet, und wenn, dann meist nur von älteren Leuten. In anderen Ländern ist das genauso.

 

  • Sind die Redewendungen für das jeweilige Gespräch geeignet?

Redewendungen sollten an die Situation, in der sie verwendet werden, angepasst sein. Also ist eine Redewendung wie zum Beispiel „voll wie eine Strandhaubitze“ im beruflichen Kontext vollkommen unpassend. Verwende also nur Redewendungen, die perfekt auf die jeweilige Situation abgestimmt sind. Und ganz wichtig: Verwende Redewendungen nur, wenn du genau weißt, was sie bedeuten. Ich bin schon mehr als einmal ins Fettnäpfchen getreten, weil ich übereifrig war und Redewendungen „gekonnt“ in die Unterhaltung eingestreut habe – Lacher waren garantiert und zwar auf meine Kosten. Aber: Auch daran gewöhnt man sich – irgendwann findet man selbst es auch lustig. Und das Beste: Den Sprachfreunden aus dem Ausland geht es umgekehrt ja genauso.

 

 

Wie du Redewendungen auswählen kannst

Den Menschen zuhören

Wenn du in Spanien, Portugal, Frankreich oder in den USA in Urlaub bist, kannst dir ein kleines Büchlein in deine Handtasche stecken (oder das Notizprogramm deines Smartphones nutzen) und dir immer dann, wenn du eine interessante Redewendung hörst oder liest, diese aufschreiben. Zu Hause überträgst du deine Ergebnisse dann in ein Vokabeltrainings-Programm oder eine Exceltabelle oder schreibst sie in ein Vokabelheft. Sehr hilfreich ist es, sich auch die jeweilige Situation, in der die Redewendungen gebraucht worden sind, zu notieren. Das hilft dir, dich besser daran zu erinnern.

Vicente, ein Freund aus Madrid, hat zum Beispiel eine Excel-Tabelle mit Vokabeln aus deutschen Podcasts. Er hört regelmäßig den Podcast „SWR 2 Wissen“ und findet dort immer interessantes Vokabular. Das schreibt er in eine Excel-Tabelle (die er mit mir teilt – so kann ich korrigieren, zumindest den deutschen Teil), kopiert danach die Vokabeln in seinen Memrise-Kurs, den er auf Wunsch von mir auch noch vertont bekommt. Personalisierter lernen kannst du kaum!

Dir selbst zuhören

Die zweite Möglichkeit ist, einige Tage lang die Redewendungen aufzuschreiben, die du in deiner Muttersprache üblicherweise verwendest. Du wirst staunen, wie viele das sind! Wenn du einen Grundstock von etwa 30 Stück aufgeschrieben hast, übersetzte diese mit Hilfe des Wörterbuchs ins Englische, Portugiesische oder Italienische. Auch diese Liste überträgst du dann in dein Vokabeltrainings-Programm, eine Exceltabelle oder ein Vokabelheft.

Das Wörterbuch befragen

Die dritte Möglichkeit ist, immer einmal wieder eine Seite aus einem alten Wörterbuch herauszureißen – dabei ist es egal, ob es sich um ein einsprachige oder zweisprachiges Wörterbuch handelt. Suche dann auf der Seite gezielt nach Redewendungen und entscheide, ob sie für dich wichtig und interessant sind. Falls ja, übertrage sie ebenfalls in dein Vokabeltrainings-Programm oder deine Excel Tabelle oder schreibe sie in dein Vokabelheft. Diese Technik habe ich schon in meinem Blogartikel „Wie du mit einem alten Wörterbuch Vokabeln lernen kannst“ vorgestellt. Diese Technik funktioniert nämlich nicht nur mit Redewendungen, sondern mit Vokabeln aller Art.

Welche Möglichkeit ist am besten?

Die beste Möglichkeit ist meiner Meinung nach speziell bei den Redewendungen die zweite Möglichkeit. Wenn du nämlich Redewendungen in deiner Muttersprache häufig verwendest, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass du sie auch in der Fremdsprache verwenden wirst. Und wenn du deine ersten 30 herausgeschriebenen Redewendungen beherrschst, dann findest du sicherlich noch weitere.

 

Der Sondertipp: Erstelle dir doch einen Kurs in Memrise. Ich habe das für Französisch gemacht – und mein Freund Jonathan aus Frankreich hat mir meine persönlichen Redewendungen alle vertont. Also kann ich diese Redewendungen nicht nur durch das Lesen und Schreiben üben, sondern auch durch das Hören. Besser und personalisierter geht es kaum. Selbstverständlich vertone ich im Gegenzug seinen Deutschkurs.

 

Anmerkung: Zu diesem Thema gab es schon einen Gastartikel von Kirsty von English with Kirsty auf meinem Blog – in Englisch und in Deutsch. Darin erklärt dir Kirsty, welche Redewendungen sie wichtig findet.

 

Dannn wünsche ich viel Spaß beim Suchen und Lernen der Redewendungen!

Möchtest du mehr Lerntipps haben? Dann empfehle ich dir mein Buch „Sprachen lernen – Tolle Tipps und Tricks“ – darin findest du noch viele weitere Ideen.

8 Kommentare

  1. Rita Kortmann

    Äußerst differenziert und hilfreich- deine Hinweise.
    Ich benutze „memrise“ , um in Italienisch besser zu werden, obwohl ich offiziell C1 erreicht habe, was ich nicht so ganz glauben will.
    Freundliche Grüße,
    Rita

  2. Birgit Schultz

    Hallo Christine,
    wieder ein toller Artikel!

    Zusätzlich gibt es auch viele „Redewendungen“, die gerade aus der Alltags- oder Jugendsprache stammen, die schwer zu erlernen und zu verstehen sind. Richtig bewusst wurde mir das bei meinem Studienaufenthalt an der Uni in Aberdeen, wo ein Deutsch lernender Student gern mit mir sprach und mich eines Tages ganz verwundert anschaute, als ich sagte, ich hätte mir einen Arm abgefreut … 😉

    Zauberhafte Grüße
    Birgit

    • Christine

      Hallo Birgit,

      diese verwunderten Blicke passieren mir andauernd… Aber sind das nicht auch die lustigen Momente im Leben? An die Redewendung aus Aberdeen (und nicht nur an die falsche) erinnerst du dich bestimmt heute noch, oder?

      Viele Grüße
      Christine

  3. Inge

    Hallo Christine,
    wieder ein gelungener und informativer Artikel.
    Ich habe in meinem Wissenswortschatz bereits einige Redewendungen gelernt und abgespeichert, aber diese auch zu gebrauchen, fällt mir leider noch schwer. Finché c’è vita, c’è speranza.
    liebe Grüße
    Inge

    • Christine

      Hallo Inge,

      danke für das Kompliment! Ich weiß, dass die Redewendungen schwierig zu verwenden sind. Auch bei mir gehört der gelungene Gebrauch ab und zu noch zu den Sternstunden des Sprachenlernens, vor allem in Spanisch. Es hilft aber, sich nicht zu viele Redewendungen auf einmal vorzunehmen und diese immer wieder „einzubauen“. Es gibt doch viele, die recht vielseitig zu gebrauchen sind. „Pi mal Daumen“ (in Italienisch „a occhio e croce“) ist zum Beispiel so eine – die passt für ganz viele Situationen.

      Und wenn du dann diese Redewendung verinnerlicht hast, kommt die nächste dran, zum Beispiel „am Ball bleiben“ (in Italienisch: „non perdere battuta“).

      Viele Grüße
      Christine

  4. Julia

    Redewendungen sind schon ziemlich wichtig im alltäglichen Miteinander. Sonst fragt man sich irgendwann, warum man dem Wolf ins Maul steigen sollte bzw. weshalb der „verrecken“ soll oder warum jemand Hände in den Händen haben sollte….. 😀
    Ich find allerdings das erste Auswahlkriterium nicht wirklich passend. Denn natürlich muss ich mich nicht profund in einer Fremdsprache über Astrophysik austauschen können, aber hinter Redewendungen steckt ja – wie überall in der angewendeten Linguistik – auch die Kultur dahinter, die eine wichtige Rolle spielt. Und die Italiener verwenden Redewendungen etwa in andern Zusammenhängen als wir, weshalb ich in der Fremdsprache bisweilen öfter Redewendungen – und ich mein nicht Sprichwörter, sondern modi di dire – verwende, als in meiner Muttersprache. Das sind nicht unbedingt die jeweiligen Pendants, eher sogar im Gegenteil. Weil eben in andren Situationen andre Redewendungen üblich sind. Ich weiß nicht, ob ich mich grad verständlich ausdrück…..was ich mein?! LG Julia

    • Christine

      Hallo Julia,

      schön, von dir zu lesen! Du hast natürlich recht, dass die Kultur eine Rolle spielt und dass Redewendungen fest darin verankert sind. Aber … und das ist mein Einwand: Nicht jeder Sprachlerner hat ein so fortgeschrittenes Sprachniveau, dass er zwingend Redewendungen braucht, zumindest nicht sehr viele. Und die kulturellen Feinheiten erschließen sich meiner Meinung nach noch nicht im Unter- und Mittelstufenbereich. Wenn jemand aber wirklich schon weit fortgeschritten ist, dann wird er von alleine das Interesse für die Redewendungen zeigen, denn erst dann taucht man erst so richtig in eine Sprache ein. Für meine Italienischschüler – für die meisten zumindest – muss ich aber Redewendungen während des Unterrichts sehr sparsam dosieren, weil sie sonst schnell überfordert sind.

      Und du hast dich absolut verständlich ausgedrückt!

      Vielen Dank für deinen Kommentar und viele Grüße
      Christine

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