Vielleicht hast du dir erst kürzlich ein neues Wörterbuch gekauft. Dann wirf das alte Wörterbuch nicht weg – du wirst es noch brauchen! Heute stelle ich dir nämlich eine Möglichkeit vor, wie du dieses alte Wörterbuch zum Lernen von Vokabeln nutzen kannst. Warum es sich dabei idealerweise um ein altes Wörterbuch handeln sollte? Das wirst du gleich erfahren… Selbstverständlich kannst du die Tipps auch mit einem aktuellen Wörterbuch umsetzen, ohne dieses gleich zerreißen zu müssen.
Der Tipp: Reiße dir zu Beginn 3 Seiten aus dem Wörterbuch heraus!
Das solltest du natürlich nur machen, wenn es sich um ein altes Wörterbuch handelt.
Schließlich sollst du ja ein aktuelles Wörterbuch weiterbenutzen.
Aber ein aussortiertes Wörterbuch ist ideal dafür, denn du stellst so sicher, dass du keine Doppelbearbeitungen vornimmst.
Wenn eine Seite erledigt ist, wirfst du sie nämlich in den Mülleimer.
Das ist beim links abgebildeten Wörterbuch auch nicht schlimm, denn es ist wirklich alt. Und häufig benutzt noch dazu. Ich finde, das sieht man.
Gehe nun die Wörterbucheinträge Seite für Seite durch.
Jetzt hast du mehrere Optionen
Möglichkeit 1: Du konzentrierst dich auf Einzelwörter
Diese Methode bietet Vor- und Nachteile. Ein Vorteil ist sicherlich, dass die Wörtereinheiten kurz sind und dass du (vermeintlich) nicht so viel Energie auf das Lernen verwenden musst. Bei Hauptwörtern wie „Gehsteig“, „Buchhandlung“ oder „Kaffeetasse“ geht das auch sehr gut, denn zu diesen Wörtern hast du sofort ein Bild im Kopf, kannst dir also etwas unter den Begriffen vorstellen. Was aber stellst du dir unter Wörtern wie „vielleicht“, „eigentlich“ oder „etwa“ vor?
Ein Nachteil der Einzelwörter ist also, dass du kein Bild zu den Wörtern findest – das macht es so unendlich schwierig, diese „kleinen Wörter“ wie „eigentlich“, „vielleicht“ und „etwa“ zu lernen.
Ein zweiter Nachteil ist aber auch, dass viele Wörter mehrere Bedeutungen haben. Wenn du also dem Ursprungswort nur eine Bedeutung gegenüberstellst, fehlt dir der Zusammenhang. Du stellst fest, dass du nach einigen Tagen überhaupt nicht mehr nachvollziehen kannst, in welchen Strukturen du das Wort gesehen hast. Dadurch wird es nahezu unmöglich, es zu lernen. Schlimmer noch: Die gelernte Bedeutung passt fast nie in den Kontext.
Ein Beispiel: Das deutsche Wort „offen“ hat im Italienischen in meinem Wörterbuch mittlerer Größe neun verschiedene Bedeutungen: eine offene Tür, ein offener Mund, ein offenes Geschäft, ein offener Schuh, offene Haare, ein offenes Auto, ein offener Wein, eine offene Frage, eine offene Stelle.
Woher weißt du nun also, welche Bedeutung in welchem Kontext richtig ist? Dann greift Möglichkeit 2.
Möglichkeit 2: Du konzentrierst dich auf Wortverbindungen
Wenn du dich auf Wortverbindungen wie eben „das offene Fenster“, „offene Haare“ oder „ein offener Wein“ konzentrierst, stellst du sicher, dass du einerseits Wörter im Kontext lernst und andererseits diese Wortverbindungen nicht zu lang werden. Allerdings gehen dir auch bei dieser Methode viele interessante Vokabeln verloren: die Einzelwörter und die Redewendungen.
Nimm beispielsweise das Wort „Ecke“. Wortverbindungen sind hier „um die Ecke biegen“ oder „gleich um die Ecke“. Verbindungen wie „jemanden um die Ecke bringen“ oder „an allen Ecken und Enden“ gehen dir aber eventuell verloren, weil in diesem Fall das Wort „Ecke“ nicht mehr die Grundbedeutung aufweist.
Auch Wörter wie „Ansichtskarte“, „Mittelscheitel“, „Beipackzettel“ oder „Bildschirmschoner“ wirst du mit dieser Methode nicht erfassen, denn dafür gibt es – zumindest in meinem Wörterbuch, das neben mir liegt – keine Wortverbindungen. Es wäre aber schade, wenn Wörter dieser Art verloren gingen!
Möglichkeit 3: Du konzentrierst dich auf feststehende Redewendungen
Beim Konzentrieren auf feststehende Redewendungen lernst du zwar viele interessante Ausdrücke wie „mir sind die Hände gebunden“, „das ist nicht mein Bier!“, „das ist doch der Gipfel“ oder „er klopft immer nur Sprüche“, aber die Einzelwörter und die normalen Wortverbindungen werden hier nicht mit erfasst. Auch das wäre sehr schade, daher empfehle ich die vierte Möglichkeit.
Möglichkeit 4: Du nimmst die Wörter und Wendungen aus dem Wörterbuch, die dir am besten gefallen
Nutze doch alle Möglichkeiten nebeneinander! Entscheide dich für Einzelwörter, wenn die Bedeutung eindeutig ist, nimm gängige Wortverbindungen dazu, wenn du sie selbst auch in deiner Muttersprache verwendest. Je häufiger du Vokabeln in deiner Muttersprache verwendest, desto häufiger wirst du sie auch in deiner Lernsprache brauchen.
Der nächste Schritt: Gehe eine Seite im Wörterbuch durch und entscheide dich bewusst für etwa 10 bis 12 Vokabeln
Warum nur 10 bis 12 Vokabeln pro Seite? Wenn du zu viele Vokabeln auflistest, kommst du mit dem Lernen nicht mehr hinterher. Bei 12 Vokabeln kannst du die Aufteilung 4 Einzelwörter, 4 Wortverbindungen und 4 Redewendungen vornehmen. Solltest du das nicht so streng handhaben wollen, dann wähle einfach 10 bis 12 Vokabeln nach persönlichem Geschmack aus.
Ich habe hier eine Seite des italienischen Wörterbuches vorliegen. Die Einträge gehen von „beinahe“ bis „bekommen“.
Ich würde jetzt folgende Begriffe aus dem Wörterbuch auswählen:
- sie ist beinahe fertig
- Hals- und Beinbruch!
- Spaß beiseite!
- nimm dir ein Beispiel daran!
- beißende Kälte
- einen Beitrag leisten zu etwas
- etwas kommt mir bekannt vor
- bekanntlich
- jemanden beklauen
- sich bekleckern mit etwas
- bekloppt
- eine Ohrfeige bekommen
Du siehst, es sind Wörter aus allen Kategorien dabei. Zudem gibt es Vokabeln aus der Standard- und aus der Umgangssprache. Selbstverständlich erfasst du die Wörter zweisprachig.
Der nächste Schritt: Was geschieht mit den Vokabeln aus dem Wörterbuch?
Wenn du einen Vokabeltrainer nutzt, kannst du die Vokabeln dort eingeben. Ich gebe also diese Liste aus dem Wörterbuch bei Memrise, meinem Vokabellernprogramm, ein – dafür habe ich mir einen persönlichen Kurs mit dem Namen „Italienischvokabeln Oberstufe“ angelegt. Alle interessanten Vokabeln wandern also in diesen Kurs und werden nach und nach mitgelernt. Ich favorisiere eine App oder ein Computerprogramm, weil diese Lösung für mich einen ganz entscheidenden Vorteil bietet: Ich muss mich nicht selbst um die Organisation kümmern. Jeden Tag öffne ich den Kurs und sehe automatisch, welche Vokabeln zu wiederholen und welche neu zu lernen sind. Dadurch spare ich viel Zeit. Natürlich steht es dir frei, ein anderes System zu nutzen – bedenke dann aber, dass du dich selbst um die Organisation kümmern musst und dass sich die Vokabeln nicht von alleine lernen. Aber das tun sie bei der elektronischen Variante ja auch nicht.
Genauere Informationen zu Memrise und zu Babbel – das sind die beiden bekanntesten Vokabellernprogramme – findest du in diesen Artikeln Babbel – das Tool zum Vokabellernen, Meine Lernroutine mit Memrise, Italki, Facebook und Co,, Memrise – wie du damit eine Lernroutine aufbauen kannst und Memrise – der Vokabeltrainer.
Worauf ich allerdings bei Online- und Offline-Lösungen achten muss: Ich muss immer rechtzeitig für Nachschub sorgen. Bei Memrise sehe ich, dass ich 1379 Vokabeln eingegeben und 1311 Vokabeln schon gelernt habe. Also kann ich noch ein bis zwei Wochen warten, aber dann sollte ich dringend mal wieder einige Seiten aus meinem Wörterbuch herausreißen…
Das mache ich übrigens nicht nur in Italienisch so, sondern auch in Englisch, Französisch und Spanisch. Weitere Einträge in allen Sprachen stammen aus interessanten Unterhaltungen mit meinen Sprachfreunden und aus deren Korrekturen, aber das ist ein anderes Thema.
Ein Problem und seine Lösung: Und wenn ich nicht mein Wörterbuch zerreißen will?
Natürlich musst du nicht dein schönes Wörterbuch zerreißen, das du erst zum Geburtstag oder zu Weihnachten geschenkt bekommen hast. Eine Alternative ist, die eingegebenen Vokabeln im Wörterbuch zu kennzeichnen, entweder mit einem Textmarker oder mit einem Klebepunkt. Wenn dir das zu umständlich ist, dann kennzeichne wenigstens die Seite, indem du die Seitenzahl mit einem Bleistift einkreist. So siehst du immer, welche Seiten du schon verarbeitest hast. Dadurch vermeidest du Doppel- und Dreifacheingaben.
Was bringt mr das noch? Der angenehme Nebeneffekt der Wörterbucharbeit
Du wirst feststellen, dass Wörterbücher eine sehr interessante Lektüre sein können. Nicht selten wirst du dich also festlesen und staunen, welche Redewendungen es gibt und wie sie in die einzelnen Sprachen übersetzt sind! Du wirst so manchen Schatz ausgraben und auch hin und wieder kulturelle Unterschiede feststellen.
Der größte Nutzen und was du jetzt tun sollst
Probiere es doch einfach einmal aus. Ich bin sicher, diese Methode wird neuen Schwung in dein Lernen bringen, denn du lernst absolut selbstbestimmt und entscheidest ganz alleine, was für dich persönlich wichtig ist und was nicht. Du wirst auch staunen, wie viele Vokabeln du in deiner Muttersprache verwendest! Mit dieser Arbeitstechnik legst du dir nach und nach ein ganz persönliches Archiv deiner Lieblingswörter und -ausdrücke an. Etwas Wertvolleres für das persönliche Lernen gibt es nicht!
Wow, das ist eine richtig gute Idee. Ein paar alte Wörterbücher habe ich ja. Mit denen kann ich es gleich mal testen. Ich habe vor einigen Jahren für 6 Monate in Kasachstan gearbeitet. Ich hatte einen Übersetzer, der nie einen Sprachkurs besucht hat, sondern alleine mit dem Wörterbuch Deutsch gelernt hat. Deshalb kann ich sagen: Dieser Tipp ist wirklich gut.
Dazu habe ich übrigens auch einen Artikel geschrieben. https://sprachelernen.info/sprachelernen-mit-dem-woerterbuch/
Hallo zusammen ,
Einen interessanten woterbuch habe ich , wie kommt man dazu …!!!
Mit freundlichen Grüssen .
Wieder mal eine coole Idee zum Lernen, Christine. Herzlichen Dank dafür!
Zauberhafte Grüße
Birgit
Gerne, liebe Birgit! Die Idee kam mir diese Woche im Italienischkurs – dort haben wir das nämlich ausprobiert!
Viele Grüße Christine